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Passion und Ostern für Dummies

Das Oster-ABC


„Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten“ – hätten die Jünger und Jüngerinnen Jesu nicht gesehen und geglaubt, dass ihr Meister auferstanden ist, gäbe es kein Christentum. Sein Tod am Kreuz wäre – wie von den Religionsbehörden und den römischen Besatzern beabsichtigt – das Ende seiner Mission gewesen. Zwar hat niemand gesehen, was am Ostermorgen in dem Felsengrab vorgegangen ist, in das man Jesus zuvor gelegt hatte. Aber es gibt andere Zeugen: Maria von Magdala hat mit ihm gesprochen, der Jünger Thomas hat – sozusagen stellvertretend für uns – seine Hände in seine Wunden gelegt. Paulus nennt Petrus, den Jüngerkreis und 500 Brüder als Augenzeugen sowie weitere Begegnungen. Das war offensichtlich Grund genug, die Auferstehung für wahr zu halten. Der Glaube an die Auferstehung ist also historisch. Selbst wenn sie gar nicht stattgefunden hätte: Bewegt hat sie unendlich viel.

Da sie nur Gottes Werk sein konnte, wurde die Auferstehung als allerhöchste Bestätigung der Gottessohnschaft Jesu gewertet: Seine Botschaft ist damit autorisiert als Gottes Wort, und sein Sterben ist nicht die Hinrichtung eines Unruhestifters, sondern freiwillige Selbsthingabe für die durch die Sünde von Gott getrennten Menschen. Diese Deutung legt den Grund für ein neues Selbstverständnis: Die Ungerechten werden als Gerechte angesehen und finden Einlass in die unverbrüchliche Gottesgemeinschaft, wo sie in der Perspektive der Ewigkeit leben.

Mit Ostern verbindet sich daher das christliche Lebensgefühl: In einer Welt, die vom Bösen und vom Untergang gezeichnet ist, wissen sich Christen und Christinnen in Gottes Liebe und Gnade getragen, zu Hoffnung und Zuversicht berufen und zum Aufstehen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ermutigt. Darüber hinaus dürfen sie hoffen, zu jenem Volk Gottes zu gehören, das nach der Auferstehung der Toten in einer gänzlich ungebrochenen Gemeinschaft mit ihm lebt.

Ostern macht aus Jesu Leben und Sterben das Heil für die Welt. Aber es ist nicht ohne den Karfreitag denkbar, wie umgekehrt der Karfreitag ohne Ostern sinnlos bleibt. Beide Tage bilden gemeinsam die Doppelspitze des christlichen Kirchenjahres. In unserem Oster-ABC mit vierzig Stichwörtern versuchen wir, ein paar Schneisen in die über Jahrhunderte gewachsene Tradition und das Brauchtum zu schlagen.


Abendmahl
Aschermittwoch
Auferstehung Jesu
Auferstehung der Toten
Auferweckung Jesu
Chronologie des Sterbens
Eiersuchen
Eierwerfen
Endzeit
Fastnacht/Fasching
Fastenzeit
Frauen
Fußwaschung
Grab
Gründonnerstag
Höllenfahrt Christi
INRI
Judas
Karfreitag
Karwoche
Kreuz
Kreuzigung
Leidenszeit
Osterbrot
Osterei
Ostererzählungen
Osterhase
Osterkerze
Osterlamm
Ostern
Osternacht
Osterwoche
Osterzeit
Palmsonntag
Passionszeit
Pessach
Schächer
Sieben Wochen ohne
Sieben Worte am Kreuz
Sonntag
Taufe


Abendmahl

Jesus hat – nach den Erzählungen von Matthäus, Markus und Lukas – mit seinen Jüngern am Abend vor seiner Hinrichtung (Gründonnerstag) ein sehr besonderes Mahl gefeiert. In der Erinnerung an dieses Mahl und nach seinem Vorbild feiert die Gemeinde das Abendmahl (die Katholiken feiern die Eucharistie) bis heute, auch wenn dies zum Beispiel an einem Sonntagvormittag geschieht. Jesus wird dabei zugleich als Geber und Gabe betrachtet: In Brot und Wein schenkt er sich selbst. Auch wenn er in der Gestaltung des Mahles die jüdische Tradition des Pessach aufgenommen hat, hat er es gewissermaßen neu erfunden; er hat es mit neuem Inhalt ergänzt; die Fachleute sagen, er hat es „eingesetzt“.

Damit hat das Abendmahl den Rang eines Sakramentes: Wer daran glaubt und teilnimmt, begibt sich damit in die unmittelbare Gemeinschaft mit Jesus Christus und erhält Anteil am Heil des ewigen Lebens und der unverbrüchlichen Gottesgemeinschaft. Das Sakrament ist somit ein sichtbares Zeichen der unsichtbaren Gnade Gottes. Die Protestanten kennen nur zwei Sakramente, die einander ergänzen: die einmalige Taufe und das auf Wiederholung angelegte Abendmahl.

Das Abendmahl vereinigt unterschiedliche Aspekte in sich. Bei Matthäus, Markus und Lukas wird es am Vorabend des Pessach-Festes gefeiert und erinnert damit an den Auszug Israels aus Ägypten. Gott hat damals die an den Türbalken mit dem Blut eines Lammes bestrichenen Häuser der Israeliten verschont, als er in der Nacht die Erstgeburt der Ägypter tötete. Das jüdische Pessach ist das Fest der Befreiung (von der Herrschaft der Ägypter) und der Verschonung (von der tötenden Gewalt Gottes). Von hierher ist das Abendmahl ebenfalls als ein Befreiungs- und Verschonungsfest der ganzen Gemeinde zu sehen: Die Gemeinde vergewissert sich, dass sie nicht mehr unter der Macht der Sünde und des Todes steht, und sie wird sich darüber klar, dass Gott sie aus Gnade verschont vor seinem berechtigten Zorn über die Sünder. Die Gemeinde weiß sich ebenso wie Israel zu einem neuen Aufbruch (Exodus) aus den gewohnten, alten Strukturen gerufen, die eine trügerische, versklavende Sicherheit vorgespiegelt haben: In der Begleitung und Wegleitung Gottes geht es „auf zu neuen Ufern“. Der Weg führt für Israel durch die Wüste nach Kanaan, für die christliche Gemeinde ins neue Jerusalem.

Das von Jesus initiierte Abendmahl enthält darüber hinaus exklusive Elemente. In den Gaben von Brot und Wein ist Jesus Christus selbst real präsent, und sein Heilshandeln wird an dem Empfangenden wirksam. Der Leib meint immer die ganze Person, das Blut ist im hebräischen Denken der Sitz des Lebens. „Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut“ bedeutet: „Das bin ich für Euch, ich schenke mich ganz für euch, ich gebe mein Leben für euch. Nicht, weil es euch zusteht, sondern weil ich es so will, aus Gnade.“ Indem sie Brot und Wein miteinander teilt, verinnerlicht die Gemeinde Jesus Christus mit allem, wofür er steht. Die Teilnehmenden vergewissern sich darin ihrer besonderen Gemeinschaft untereinander und in Jesus Christus. Diese trägt sowohl spirituelle wie auch sehr konkrete Züge; die Zusammengehörigkeit umfasst ganz verschiedene Menschen und steht über allem Trennenden, zum Beispiel Konfession, Hautfarbe, Geschlecht, sozialer Status, Ansehen, Herkunft, Schuld und Versagen... Im Abendmahl wird die zertrennte Christenheit konfrontiert mit dem noch nicht eingelösten Anspruch wirklicher Einheit. Daran muss die Gemeinde immer wieder erinnert werden. Sie lebt in Christus, in der Nachfolge, solidarisch, auf Einheit und Versöhnung hinarbeitend.


Aschermittwoch

Beginn der 40-tägigen österlichen Bußzeit im Katholizismus. Im Gottesdienst werden die Gläubigen mit Asche als dem Zeichen der Buße bestreut im Sinne der Redensart „Asche auf mein Haupt“, die gleichbedeutend mit einem Schuldeingeständnis und dem Bereuen ist. Im evangelischen Bereich beginnt am Aschermittwoch die Passionszeit, was jedoch nur sehr selten gottesdienstlich begangen wird.


Auferstehung Jesu

Am dritten Tag nach Jesu Hinrichtung begegnen Maria von Magdala und andere ihrem Meister. Er ist es, aber er ist offenbar anders als zu seinen Lebzeiten: körperlich sichtbar, aber nicht der Alte, vertraut, aber auch fremd; in der Begegnung kann er verborgen bleiben oder sich zu erkennen geben. In dem auferstandenen Jesus steckt nun mehr, deuten die biblischen Autoren an.

Niemand war Zeuge dessen, was am Ostermorgen in Jesu Grab geschehen ist, und die Naturwissenschaften haben keine Erklärung für das geschilderte Phänomen. Wenn Gott sich zu „seinem“ Jesus bekannt, ihn auferweckt und damit dessen Mission als gelungen bestätigt hat, dann war das ein Wunder. Eigenart eines Wunders ist, dass man es nicht wegerklären kann. Es liegt nun beim Betrachter oder der Leserin, das Wunder zu glauben oder nicht. Die neutestamentlichen Schriftsteller lassen jedenfalls keinen Zweifel daran, dass Jesus nach seinem Tod Menschen begegnet ist.

Unabhängig davon, wie man sich die Auferstehung vorstellen kann und möchte, kommt man nicht daran vorbei, dass sie eine überaus nachhaltige Wirkung entfaltete. Die nach Jesu Tod völlig erschütterten und verängstigten Jünger fassen – ohne, dass es eine (andere) Erklärung dafür gäbe – neuen Mut, kehren nach Jerusalem zurück und entfalten eine enorme Außenwirkung. Nicht wenige Jesusleute sind eingesperrt und umgebracht worden, weil sie überzeugt waren von Jesu neuem Leben. Dass man nach 2.000 Jahren noch von Jesus spricht, liegt nicht an dessen menschlichen Qualitäten, seiner Vorbildlichkeit und Feindesliebe wie bei Mahatma Gandhi oder Martin Luther King, sondern an seinem österlichen Erscheinen. Manche fragen sich, ob die Menschen zur Zeit Jesu vielleicht anfälliger für Hokuspokus gewesen sind als heute. Wer sich die Auferstehung nur ausgedacht hätte, hätte damit ebenso wie heute über kurz oder lang Schiffbruch erlitten. Das Wunder ist natürlich nicht beweisbar, aber es muss einen glaubwürdigen Anhalt für die Rede von der Auferstehung gegeben haben. Dass der Auferstehungsglaube die Jesusbewegung geprägt hat und Motor ihres Wachstums geworden ist, ist Geschichte.

Mit Ostern erhält die Jesusbewegung eine neue Qualität. Jünger und Jüngerinnen sind Apostel geworden und sehen sich als Teil einer großen, über Generationen reichenden Kampagne Gottes zur grundlegenden Veränderung der Welt. Mit ihrem kleinen Leben leisten sie ihren Beitrag. Und wenn sie auch in diesem Leben das Ergebnis nicht mehr erleben werden, so können sie trotzdem das Ziel einst auch selbst genießen, weil sie auf ihre eigene Auferstehung hoffen können.


Auferstehung der Toten

Weil Christus auferstanden ist, erwarten Christen und Christinnen die Auferstehung aller Toten. Christus ist der Erste, und sein neues Leben ist ein Vor-Bild für das seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger. Der Zeitpunkt der Toten-Auferstehung bleibt bewusst unbestimmt, aber das Leben heute geschieht immer in der Spannung zwischen schon geschehener Auferstehung Jesu und noch ausstehender Auferstehung aller: Weil Christus auferstanden ist und wiederkommen wird, hat das Leben eine neue Öffnung erhalten, einen Raum der Hoffnung und Zuversicht jenseits all dessen, was im Diesseits belastet und durch den Tod gezeichnet ist (2 Timotheus 1,10): „Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.” Das einzelne Leben ebenso wie das der Menschheit insgesamt gelangt bei Christi Wiederkunft schlussendlich zur Einheit, zur Ganzheit. Während es im Diesseits nur die Gebrochenheit des Lebens gibt und die Feindschaft des Todes, kommt dort am Ende durch Gott alles zu Sinn und Ziel und wird „rund”.

Es geht hier nicht um eine billige Vertröstung im Jammertal. Die Gewissheit, dass die Welt an ihr Ziel kommt, ist vielmehr ein echter Trost, insofern er zurückwirkt auf die Gegenwart und in der lähmenden Welterfahrung handlungsfähig macht: Weil dann keine Krankheit, kein Hunger, kein Leid und kein Tod mehr sein werden, entstehen Maßstäbe für das Leben heute. Da sich am Ende Nächstenliebe, Frieden und bedingungsloser Einsatz für das Leben durchsetzen, bestimmen sie heute schon die Ethik, auch wenn die reale Welt nach ganz anderen Gesetzen funktioniert, dem Recht des Stärkeren etwa. Die „Lehre von den letzten Dingen” will also nicht nur Geduld und langen Atem bewirken, sondern vor allem dazu mobilisieren, heute schon dem Unrecht, der Gewalt und allem entgegenzutreten, was von Gott trennt.

Wie die Auferstehung vor sich gehen wird, darüber wird im Neuen Testament – wie bei Jesu Auferstehung selbst – höchstens in Andeutungen gesprochen und auch nicht einheitlich. Paulus war einerseits überzeugt, dass er sofort nach seinem Tod bei Christus sein würde, andererseits erwartet er die Auferstehung der Toten erst am „Jüngsten Tag”, dem Tag der Wiederkunft Christi und des Gerichtes Gottes über die Welt. Dabei spricht er sowohl von einer völligen Verwandlung gegenüber dem irdischen Dasein wie auch davon, dass die Person dieselbe bleibt.


Auferweckung Jesu

Im Neuen Testament spricht insbesondere Lukas in der Apostelgeschichte von der „Auferweckung“ Jesu, Paulus gebraucht „Auferstehung“ und „Auferweckung“ nebeneinander. Beide Begriffe meinen dasselbe, die „Auferweckung“ legt jedoch den Akzent darauf, dass Gott derjenige ist, der Jesus in die Welt gesandt hat und ihn dann am Ende seines Erdendaseins eben auch wieder auferweckt, um ihn zu sich zu holen: Mission erfüllt.

Der Begriff der Auferweckung hat auch etwas Missverständliches, sie bezeichnet zum Beispiel bei Jesu Auferweckung des Lazarus (nur) eine Rückkehr in das irdische Leben und dessen vorläufige Fortsetzung bis zum erneuten physischen Tod.


Chronologie des Sterbens

Jesus war Anfang bis Mitte dreißig, als er Anfang der Dreißigerjahre nach zwei bis drei Jahren als Wanderprediger wenige Stunden vor Beginn eines Pessach-Festes etwas außerhalb von Jerusalem zu Tode gebracht wurde.

Genauere Daten sind schwierig, weil man nur relative Zeitangaben hat, fehlerträchtige Rückrechnungen erforderlich sind und regional unterschiedliche Kalender in Gebrauch waren. Was wir aus christlichen Quellen an Zeugnissen der Ereignisse um Tod und Auferstehung Jesu haben, wurde Jahrzehnte nach Jesu Tod aufgeschrieben und ist in dieser Form eine Mischung aus historischen Fakten und Deutung. Darüber hinaus ist der Darstellung in den Evangelien eine zum Teil deutliche antijudaistische Tendenz unterlegt, in der „die Juden“ geradezu fanatisch den Tod Jesu und den Freispruch des tatsächlichen Verbrechers Barabbas fordern, während Pilatus von der Unschuld Jesu überzeugt ist. Historisch gesehen ist beides sehr unwahrscheinlich. Außerchristliche Quellen belegen die Kreuzigung Jesu, sodass wir zumindest diese als Faktum nehmen können. Darüber hinaus gibt es im Rahmen des Prozesses vorgegebene Abläufe, für die man eine gewisse Wahrscheinlichkeit annehmen darf.

Da Matthäus, Markus und Lukas das letzte Mahl Jesu als Pessach-Mahl charakterisieren, hat man gefolgert, dass Jesus am ersten Tag dieses großen Festes hingerichtet worden ist, an dem die Jüdinnen und Juden der Befreiung aus der Gefangenschaft in Ägypten gedachten. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass die auf jüdischer Seite erforderlichen Prozeduren – ein Prozess, die Überstellung an die römischen Behörden – im Rahmen der für den Sabbat geltenden Gesetze durchführbar waren. Auch die von den Behörden durchaus erwünschte Öffentlichkeit wäre wegen der am Sabbat nur begrenzt erlaubten Wegstrecke ausgeschlossen. Die Römer wiederum begleiteten das Fest mit mulmigen Gefühlen, beflügelte doch die Erinnerung an die Befreiung den Wunsch der jüdischen Bevölkerung, die verhassten fremdgläubigen Besatzer abzuschütteln. Über die Feiertage waren die Besatzer an größtmöglicher Ruhe interessiert, da wäre die Hinrichtung eines ausgewiesenen Oppositionellen eine ungeschickte Provokation gewesen.

Im Nachhinein lag die Deutung des Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern als Pessach-Mahl theologisch in der Luft. Historisch spricht aber vieles für die Darstellung des Evangelisten Johannes: Jesus wurde rechtzeitig vor Beginn des am frühen Abend beginnenden Pessach um die Mittagszeit gekreuzigt und starb rund drei Stunden später; in diesem Zeitraum wurden auch in den jüdischen Haushalten die Pessachlämmer geschlachtet. Die römischen Soldaten hatten es mit der Hinrichtung ein wenig eilig und überließen die beiden weiteren Delinquenten nicht einem weiteren stundenlangen Sterben, sondern brachen ihnen die Beine, damit Kreislauf und Atmung schneller versagten. Auch auf der Seite der Jesusleute war höchste Eile geboten, weil auf die Schnelle eine nahe gelegene Grabstätte gefunden werden musste, in der Jesus dann sofort bestattet wurde. Zugleich ermöglichte die Kreuzigung vor Beginn des Pessach den Römern, punktgenau vor dem Fest die gewünschte Abschreckungswirkung gegenüber den Einheimischen zu erreichen.

Johannes hat sich von der Zeitgleichheit zwischen dem Schlachten der Pessachlämmer und der Kreuzigung Jesu zur theologischen Deutung Jesu als des Lammes Gottes inspirieren lassen. Statt vom Abendmahl erzählt er allerdings von der Fußwaschung Jesu im Rahmen eines Abendessens, das auf jeden Fall vor dem Pessach-Fest stattgefunden hat: So wie Jesus den Jüngern Gutes tut, so sollen sie zukünftig auch einander in Liebe begegnen.

So ergibt sich als Ablauf, dass Jesus am Donnerstagabend ein Mahl mit seinen Jüngern feierte. Die Gruppe ging danach in einen Garten außerhalb der Stadt im Kidrontal, unterhalb des Ölbergs, wo Jesus sich zum Gebet zurückzog. Dort tauchte gegen Mitternacht im Auftrag der Priesterschaft die Tempelpolizei auf, um Jesus ohne Aufsehen festzunehmen und in den hohepriesterlichen Palast zu bringen; der Jünger Judas Iskariot hat bei der Identifizierung wertvolle Dienste geleistet. Die Mehrzahl der Jünger flohen aus Jerusalem in ihre Heimat Galiläa, einige Frauen blieben in Jerusalem.

Vor dem Hohepriester Kaiphas und einigen Mitgliedern des Hohen Rates, des damals höchsten religiösen und politischen Gremiums im Judentum und gleichzeitig des obersten Gerichts, wurde Jesus noch in der Nacht vernommen. Man wollte die Angelegenheit wegen ihrer Brisanz zügig zu Ende bringen und den Angeklagten so rechtzeitig den römischen Behörden überstellen, dass dessen Hinrichtung das Fest nicht mehr tangierte. Ein vollständiger Prozess war vermutlich gar nicht erforderlich, da ohnehin nur die Römer Kapitalprozesse führen durften. So genügte es, aus den Ergebnissen des Verhörs eine mundgerechte Anklage zu zimmern, mit welcher der römische Präfekt ohne große Verzögerungen weiterarbeiten konnte.

Offiziell vorgeworfen wurde Jesus die „Tempelreinigung“, mit der er den Tempelkult wie auch die damit verbundenen wirtschaftlichen Belange empfindlich gestört hatte. Die römischen Behörden sollten nachvollziehen können, dass es dabei nicht um für sie irrelevante innerreligiöse Angelegenheiten ging, sondern um eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung. Jesus wurde daher in der Anklageschrift als Aufrührer und Gefährder herausgestellt, sodass die Römer schon aus eigenem Interesse an Sicherheit praktisch keine andere Wahl hatten, als die Anklage zu übernehmen.

Nachdem die Anklageschrift aufgesetzt war, wurde Jesus wohl zeitig am Morgen dem römischen Präfekten Pontius Pilatus überstellt. Dieser fand offenbar alles griffig formuliert und brachte den Vorhalt auf die Formel, Jesus habe sich zum „König der Juden“ ausgerufen. Als oberster Gerichtsherr der Provinz Judäa besaß er nahezu unbeschränkte Vollmacht über Menschen wie Jesus, die keine römischen Bürger waren. Die öffentliche Gerichtsverhandlung unter freiem Himmel fand vermutlich vor dem herodianischen Palast statt, wo Pilatus residierte. Für ihn gab es keinen Grund zum Zaudern oder gar zur Milde. Es wird ein kurzer Prozess gewesen sein, der zur Verurteilung führte, erst recht unter dem Aspekt, dass Pilatus mit einem schnellen und klaren Urteil mögliche Unruhestifter abschrecken konnte, die sich vom Pessach-Fest mit seinem Gedenken an die Befreiung vom Joch der Ägypter zu Aktionen gegen die aktuellen Unterdrücker hinreißen lassen könnten. Viel Zeit für Umstände war angesichts des nahenden Festbeginns ohnehin nicht.

Mit einem, der die Macht an sich reißen und Aufruhr stiften wollte, machten die Römer nicht viel Federlesens. Jesus wurde, wie in solchen Fällen üblich, zum Tod durch Kreuzigung verurteilt. Die Begründung des Schuldspruchs wurde auf einem Schild festgehalten, das später als Warnung für potentielle Nachahmer vor dem Delinquenten hergetragen wurde: „Der König der Juden“. Vorher jedoch erfolgte eine Auspeitschung, und dem römischen Exekutionskommando waren gewiss auch ein paar Willkürlichkeiten erlaubt. Danach ging es zur Vollstreckung des Urteils an der Hinrichtungsstätte Golgata auf einer Felskuppe im Nordwesten der Stadt außerhalb der Stadtmauer. Zusammen mit zwei weiteren Delinquenten wurde Jesus dort um die Mittagszeit gekreuzigt. Sein Tod trat nach drei Stunden ein, was ungewöhnlich rasch war; die rabiaten Misshandlungen hatten wahrscheinlich zu einem hohen Blutverlust und einer starken Schwächung geführt.

Aus dem engen Umfeld Jesu waren nur drei Frauen in der Nähe, darunter Maria von Magdala. Josef von Arimatäa, ein Jesus nahestehendes Mitglied des Hohen Rates, wollte nicht, dass der Leichnam am Kreuz hängen blieb und ein Raub von Vögeln wurde. Auf seine Bitte hin gab Pilatus den Leichnam frei, und die Bestattung erfolgte in seinem eigenen Felsengrab, noch bevor die Pessach-Feierlichkeiten ihren Lauf nahmen.

Jesus sei „am dritten Tag“ nach seinem Tod auferstanden, heißt es. Bei der Zählung der Tage rechnet der erste Tag (Freitag) immer mit, so dass die Frauen aus Jesu Jüngerkreis, die zum Grab kamen, um den Leichnam zu salben, tatsächlich am dritten Tag, also am Morgen nach dem Sabbattag, dem Sonntagmorgen, die Entdeckung ihres Lebens machten: Das Grab war leer.


Eiersuche

Der Brauch, am Ostermorgen Ostereier zu verstecken und die Kinder danach suchen zu lassen, dürfte die Suche nach dem nicht mehr im Grab befindlichen Jesus spielerisch aufnehmen: Wie einige Jüngerinnen am Ostermorgen nach ihrem Meister suchte, so suchen die Kinder nach Ostereiern. Die Freude des Findens entspricht dabei der Freude der Jesus-Vertrauten über die unerwartete Begegnung mit dem Auferstandenen. Mit dem Schluss vom Alltäglichen auf das Besondere dient somit das Eiersuchen dem Einüben der Osterfreude: Was auf Nimmerwiedersehen weg und verloren scheint (Ei = Freude, Zuversicht, Lebenssinn), ist dennoch da und lässt sich finden. Suchen und Finden stehen zugleich für eine Vergewisserung im Osterglauben: Die Auferstehung liegt nicht beweisbar und nachvollziehbar zutage, sie erschließt sich aber, wenn man hinter und unter das Offensichtliche schaut, sprich: Auf den ersten Blick ist in der Welt von Auferstehung nichts zu sehen, auf den zweiten jedoch werden Hoffnung und eine neue Perspektive sichtbar.


Eierwerfen

Insbesondere auf dem Land gibt es unter Kindern den Brauch, auf einer Wiese Ostereier möglichst weit zu werfen. Sieger ist, wessen Ei nach dem Wurf am wenigsten demoliert ist. Nach dem gesunden Menschenverstand müssen die geradezu mutwillig traktierten Eier am Ende demoliert und ungenießbar sein, überraschend viele überstehen jedoch die Prozedur. Ebenso bewährt sich der Auferstehungsglaube – gegen die Vernunft – auch in scheinbar aussichtslosen Situationen. Auch hier geht es – wie bei der Eiersuche – spielerisch um eine Ermutigung im Osterglauben, der selbst in der härtesten Lebenslage und gegen den Augenschein brauchbar bleibt und hilft. Das Eierwerfen ist daher eine Art fröhlicher Glaubensprobe.


Endzeit

Jesus ist der Erste, der den Tod überwunden hat. Auch die, die zu ihm gehören, leben in der Hoffnung der allgemeinen Totenauferstehung in der Endzeit.

Die Verwandlung der Welt beginnt zu einem allein durch Gott bestimmten Zeitpunkt mit der Wiederkunft Christi. Am Jüngsten Tag müssen sich alle, die je gelebt haben, und alle, die noch leben, vor Gott verantworten - dazu erstehen die Toten zum Leben. Es geht um Gerechtigkeit am Jüngsten Tag. Nichts von allem ist vergessen, was Menschen einander und der Schöpfung angetan haben. Die Frechheit und Ignoranz der Täter behält nicht das letzte Wort. Die Leiden der Opfer werden nicht auf ewig übergangen und bleiben nicht ungesühnt. Was der irdischen Gerechtigkeit entgangen ist, bringt die himmlische ans Licht – unbestechlich und glasklar. Die Rechnung der Täter geht nicht auf, dass Gott fünf gerade sein lässt. Was sie angerichtet haben, wird ernst und wichtig genommen. Sie werden – endlich – konfrontiert mit ihrer Schuld, und die Opfer werden wiederhergestellt und rehabilitiert. So erfahren beide Seiten Gerechtigkeit – eine harte, aber zugleich auch tröstliche Vorstellung. Im Gericht nach den Werken wird sich erweisen, dass einige den Maßstäben Gottes eher gerecht geworden sind als andere. Aber niemand steht da ohne jegliche Schuld. Alle müssen vielmehr an Gottes strengem Gesetz scheitern und hätten die Hölle – die ewige Trennung von Gott – verdient, wenn es nur nach ihren Taten ginge. Gott schaut aber auch in das Buch des Lebens, in dem die verzeichnet sind, die durch ihre Taufe und ihren Glauben Gottes Kinder geworden sind. Sie gehen zum Ewigen Leben ein, weil sie zu Christus gehören, der am Kreuz für sie die Schuld getragen und ihnen Vergebung erwirkt hat.

Nach dem Gericht werden Himmel und Erde verwandelt und neu geschaffen. Alle Übel und Brechungen der Gegenwart haben darin keinen Platz mehr. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ Der gute Wille des Schöpfers setzt sich durch, der von Anfang an vorgesehene innere und äußere Frieden breitet sich aus – Ewiges Leben in vollendeter Gemeinschaft. Ostern ist der Grund und Anhaltspunkt dafür, dass Menschen mit dieser Perspektive leben können.


Fastnacht/Fasching

Die Wochen der Passionszeit sind in der katholischen Kirche eine Fastenzeit, in der insbesondere auf Fleisch verzichtet wird, und eine österliche Bußzeit. Vor der in vieler Hinsicht kargen und ernsten Zeit wird gerne noch einmal ausschweifend das Leben in vollen Zügen genossen. Fasching, Fastnacht oder Karneval wird daher hauptsächlich in traditionell katholischen Gegenden als Brauchtum gefeiert.


Fastenzeit

Für die mentale Vorbereitung auf das Osterfest hat die Kirche eine Fastenzeit etabliert, die von Aschermittwoch bis Karsamstag insgesamt 46 Tage – abzüglich der vom Fasten ausgenommenen Sonntage also 40 Tage – umfasst, ebenso lang, wie Jesus einst in der Wüste gefastet hat. Im Mittelpunkt steht dabei die Fokussierung auf die eigene Bedürftigkeit nach Befreiung und Erlösung angesichts des Bösen in der Welt, um dann auch das Ostergeschehen als besonderes Geschenk neuen Lebens und neuer Perspektive mit Freude annehmen zu können. Die katholische Kirche verbindet mit der inneren Vorbereitung ein Fasten, also den Verzicht zum Beispiel auf Fleisch.

Im Protestantismus kann man durch Fasten seinen Punktestand bei Gott nicht verbessern; Speisegebote gibt es nicht. Auch mit bester Leistung und allen guten Werken können wir uns nicht für die Gemeinschaft mit Gott qualifizieren, sondern sind angewiesen auf dessen Gnade. Die Wochen vor Ostern werden im Protestantismus als Passionszeit bezeichnet. Dabei wird der Passion Jesu, also seines Leidens und Sterbens gedacht.


Frauen

Die Evangelisten erzählen übereinstimmend, dass es Frauen sind, die den Toten besuchen wollen und das Grab leer finden. Selbst wenn man annimmt, dass in der damaligen Zeit einige Totenbräuche wesentlich von Frauen ausgeübt werden, darf nicht unterschätzt werden, dass sie als erste die Botschaft von der Auferstehung Jesu verbreiten. Mit einer üblicherweise im öffentlichen Leben eher passiven Position und mit minderen Rechten ausgestattet, zumal ihr Zeugnis als nicht vertrauenswürdig gilt, werden sie geradezu treibende Kraft und erhalten tragende Rollen. In dieser ersten Veränderung unmittelbar nach dem Besuch am Grab deutet sich an, dass das österlich geprägte neue Leben tiefgreifende Folgen auch im gesellschaftlichen Miteinander nach sich zieht. Man muss allerdings zugeben, dass Männer dies lange über das biblische Zeitalter hinaus nicht wirklich realisiert haben. Frauen wie Maria von Magdala hatten übrigens bereits in den erweiterten Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu gehört und waren – wie Lydia – später auch in der Mission aktiv.


Fußwaschung

Während Matthäus, Markus und Lukas beim letzten Essen Jesu mit seinen Jüngern den Akzent auf den sich selbst als Speise darbietenden Jesus legt, gibt dieses Mahl bei Johannes nur den Rahmen für eine Zeichenhandlung, die eine Art Vermächtnis darstellt und das Verstehen der Leidensgeschichte erleichtern will: Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Er macht sich klein, während er in Wirklichkeit ganz groß ist: “Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.”

Jesus dient, weil er liebt. Nur deswegen kann er alles für seine Jünger – und damit auch für uns – tun, nur deswegen ist ihm nichts zu niedrig, nur deswegen schreckt er nicht einmal vor dem größten aller möglichen Opfer zurück. Die Liebe ist eine verbindende Macht über alle Grenzen und Gräben hinweg. Ihr geht es nicht um die eigenen Ambitionen, um den Ehrgeiz, um den eigenen Nutzen und Gewinn. Sie verzichtet auf alles Haben- und Behaltenwollen, auf alle eigenen Ansprüche und Eitelkeiten. In ihr ist man sich für nichts zu schade. Wo Liebe ist, hat das, was uns auseinander bringt und zwischen uns steht, keine Bedeutung und Macht. Die Liebe stellt dem eigenen Ich immer das andere daneben, den Nächsten, und sucht, was beiden dient.

In der Fußwaschung kristallisiert sich somit noch einmal Jesu ganzes Wesen. So, wie er jetzt seine Jünger mit einer liebevollen Geste behandelt, ohne dabei sich selbst und seine Position in den Mittelpunkt zu stellen, so selbstverständlich ist er immer da gewesen für die, die ihn nötig gehabt haben. Die Fußwaschung ist sodann als Übergang zwischen Jesu Wirken und dem Beginn der Leidensgeschichte eine Vergewisserung der Seinen: „So, wie ihr mich kennengelernt habt und mich jetzt erfahrt, so bin ich weiterhin für euch da, auch wenn ihr das jetzt noch nicht versteht und zunächst nicht glauben werdet.“ Die Fußwaschung deutet Jesu bevorstehendes Sterben und gibt den Jüngern eine Verstehenshilfe. Er, der Herr, wird zum Knecht, wenn seine Passion beginnt. Die Oberen der Juden und der Römer behandeln den Sohn Gottes wie einen, mit dem man alles machen kann. Aber das geschieht nicht, weil er so schwach ist und hilflos, sondern weil er das selbst so will.

Jesus wird in seiner Passion noch in einem anderen Sinn zum Knecht – zum leidenden Gottesknecht, wie ihn Jesaja (Kapitel 53) geschildert hat: ein Verachteter, der das Leid auf sich lädt und es trägt, durchbohrt um unserer Sünden und zerschlagen um unserer Verstrickungen ins Böse willen; durch seine Wunden sind wir genesen. Er erniedrigt sich selbst – hier vor den Jüngern, und dann bis zum Tod am Kreuz. Was er tut, das will er als einen Akt der Hingabe aus Liebe verstanden wissen, als einen aktiven Liebes-Dienst. Wie das Waschen der Füße jetzt der körperlichen Reinigung dient, so wird auch sein Tod eine liebevolle Hingabe sein, welche der Reinheit des Lebens dient, der Vergebung der Schuld und der Erlösung von der Macht des Bösen. Es ist eine Paradoxie, dass der Herr den Schülern die Füße wäscht, es ist eine Paradoxie, dass der Schuldlose am Kreuz stirbt, und es ist ebenso eine Paradoxie, dass ausgerechnet der Tod eine reinigende und befreiende Kraft entfalten kann. Mit der Fußwaschung erklärt Jesus den Seinen die Struktur seines Leidens und Sterbens. Was ihnen fremd und paradox erscheint, dient einzig und allein ihrem Wohl.

Jesus gibt mit seiner Fußwaschung und mit seinem Sterben ein Beispiel für eine Liebe, die sich verströmt, die sich schenkt und sich bedingungslos für andere einsetzt. Diese Liebe ist das Zentrum einer neuen Weltordnung. Hier bewirft niemand die anderen mit Dreck, sondern sorgt im Gegenteil aktiv und bewusst dafür, dass jede und jeder genug hat und sich wohlfühlt. Hier lebt man füreinander und nicht gegeneinander.


Grab

Jesus wurde in einem bisher ungenutzten Felsengrab beigesetzt, einer Art Höhle, deren Eingang durch einen Rollstein verschlossen war. Am Ostermorgen fanden die Frauen es offen und leer: Der Stein war weggerollt, und da, wo der Leichnam gelegen hatte, waren nur noch ein paar Tücher, in denen er eingewickelt war. Ein Engel erklärt, Jesus sei auferstanden, und verheißt eine Begegnung mit ihm.

Das von den Evangelisten ausgemalte Szenario spricht dafür, dass Jesus die Höhle lebendig verlassen hat: Einem Toten hätte man – am dritten Tag nach der Grablegung war der Verwesungsprozess voll im Gang – Kopf und Arme nicht freilegt, wenn man den Leichnam hätte stehlen wollen, wie manche angesichts des leeren Grabes mutmaßten. Der Gedanke an einen Leichendiebstahl lag im Übrigen nicht so fern, konnte man den Oberen doch unterstellen, dass sie nach der Beseitigung des Störenfriedes Jesus keinen Wallfahrtsort etablieren und deswegen den Leichnam verschwinden lassen wollten.

In der neutestamentlichen Forschung gibt es Autoren, die das biblische Zeugnis als ursprünglich ernstnehmen, zumal sich diese Annahme angesichts der späteren leibhaftigen Begegnungen mit einem lebendigen Jesus am ehesten in die Ereignisse einfügt. Kritische Stimmen nehmen allerdings an, das Grab sei am Ostermorgen weiterhin belegt gewesen. Diese Sicht geht davon aus, dass die Ostergeschichten von einer Vision des Auferstandenen her bestimmt sind, während Jesus tatsächlich tot blieb. Der auferstandene Jesus existierte demnach nur in der Vorstellungskraft seiner Anhängerinnen und Anhänger, zeigte nur dort eine ungeheure Macht – und war im Grunde eine Halluzination. Der Neutestamentler Gerd Lüdemann zum Beispiel spricht in diesem Zusammenhang von „Auferstehungswahn“.


Gründonnerstag

Der Tag vor Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung Jesu. Jesus hat am Abend mit seinen Jüngern ein gemeinsames Mahl gehalten, das die christliche Gemeinde seitdem als Abendmahl (in der katholischen Kirche als Eucharistie) feiert. Anschließend geht Jesus mit seinen Leuten in den nicht weit entfernten Garten Gethsemane, wo Jesus in Kenntnis der bevorstehenden Ereignisse betet und große menschliche Einsamkeit erfährt, wodurch seine alleinige Bindung an Gott hervorgehoben wird. Nach einer Zeit kommt Judas mit einer Schar Bewaffneter. Er begrüßt den Meister mit einem Kuss, was den Soldaten des Hohepriesters zeigt, wen sie verhaften müssen. Der Judaskuss ist seitdem Synonym für den besonders perfiden Verrat einer nahestehenden Person.
Wenn es am Gründonnerstag Grüne Soße gibt, Maultaschen oder Spinat mit Kartoffeln und Eiern, spiegelt sich darin einerseits die vorchristliche Vorstellung, sich mit Kräutern die Lebens- und Heilkraft des Frühlings einzuverleiben. Andererseits nehmen die Gläubigen in der Feier der Eucharistie die heilende Kraft Christi in sich auf.


Höllenfahrt Christi

In der Zeit zwischen dem Tod und der Auferstehung liegt die Höllenfahrt oder der Abstieg in das Reich des Todes. Im Glaubensbekenntnis heißt es: „hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten”. Die Formulierung will das Missverständnis abwehren, Jesus sei womöglich gar nicht tot gewesen. In der Kunst ist die Höllenfahrt ein gängiges Motiv: Christus kommt am Ostermorgen mit der Fahne des Siegers in der Hand, bricht das Tor zum Totenreich auf, tritt den Teufel, der es bewacht, nieder, streckt die Hand aus und holt die Menschen, die dort gefangen sind, heraus.


INRI

Die Inschrift auf dem Kreuz in römischen Buchstaben bezeichnet die Schuld des Hingerichteten: „Jesus von Nazaret, König der Juden“. Die zeitgenössische jüdisch-christliche Auseinandersetzung, ob Jesus Gottes Sohn ist oder ein Gotteslästerer, hat ihren Niederschlag gefunden in der Auseinandersetzung um den Wahrheitsgehalt dieser Aufschrift. Pilatus, der römische Statthalter, hatte die Inschrift zweifellos als bitteren Sarkasmus gedacht: „Seht, da hängt der König der Juden machtlos am Kreuz! Er ist nur die lächerliche Karikatur eines Königs!“ Passanten jedoch, so wird erzählt, hätten die Worte als Tatsachenbehauptung verstanden (Pilatus gebe zu, Jesus sei wirklich der König) und verlangt, die Inschrift noch einmal unmissverständlich als lediglich angemaßten Titel zu kennzeichnen. Pilatus jedoch sei beharrlich geblieben, heißt es. Der Kreuzestitel ist daher in der christlichen Wahrnehmung ein reiner Ehrentitel geworden. Historisch ist kaum anzunehmen, dass ausgerechnet der Besatzer und Ungläubige Pilatus Jesu wahres Sein erkannt haben soll. Antijudaistische Propaganda hat in die Darstellung hineingespielt.


Judas

In der Überlieferung wurde der Jünger Judas Iskariot oft zum verachteten Verräter herabgewürdigt – bis dahin, dass „Judas“ als Schimpfwort gebraucht wird für einen, der einen ihm nahestehenden Menschen ans Messer liefert. Die 30 Silberlinge, die er für seine Verabredung zur Festnahme durch die Tempelwache erhielt, werden verächtlich als „Judaslohn“ bezeichnet und die Begrüßung Jesu als „Judaskuss“.

Zweifellos ist Judas als Jünger Jesu und Kollaborateur mit dessen Gegnern eine tragische Figur, nicht zuletzt, wenn man daran denkt, dass er nach seiner Mithilfe bei der Gefangennahme Suicid begeht. Unsere Sicht ist allerdings von soldatischen Begriffen wie Kameradschaft, Treue und Ehre verstellt. Wenige Tage vor Pessach, dem großen jüdischen Befreiungsfest, dürfte die Sicherheitslage in Jerusalem angespannt gewesen sein. Die römischen Besatzer waren in der Bevölkerung ebenso verhasst wie seinerzeit die Sklaventreiber des ägyptischen Pharao, auch wenn die jüdischen Religionsführer es nicht auf ein Kräftemessen ankommen lassen wollten. Spätestens seit Jesu Einzug in die Stadt waberte dort die konkrete Erwartung, Jesus würde nach den Wundern, die er vollbracht hat, nun endlich „Nägel mit Köpfen“ machen und seine übermenschlichen Möglichkeiten machtvoll gegen die verhassten Besatzer einsetzen, die ja zu allem Überfluss auch noch Heiden waren. Judas ging es womöglich gar nicht um das Geld, lässt sich denken, vielmehr hat er Jesus zum Handeln, zum finalen Coup provozieren wollen, um danach endlich das Pessach als ein wirkliches Befreiungsfest feiern zu können. Dies war zwar eine völlige Fehleinschätzung, aber die Jünger waren ja auch schon früher Irrtümern und der Ratlosigkeit erlegen. Diese Erklärung ist auf jeden Fall einleuchtender als die Vorstellung, Jesus habe in Judas Jahre lang ein schwarzes Schaf oder eine tickende Bombe unter seinen engsten Vertrauten gehabt.

Judas hat durch seine Zusammenarbeit mit den Gegnern Jesu auf jeden Fall die Dinge ins Rollen gebracht, völlig anders, als er es sich gedacht hatte, aber ohne diesen Verrat hätte es keine Festnahme, keine Anklage, kein Urteil und natürlich auch kein Heil für die Sünder gegeben. Judas hat das Gegenteil von dem bewirkt, was er wollte, aber genau das, was im Heilsplan vorgesehen war! Über Judas den Stab zu brechen, ist auch jenseits einer historischen Einschätzung nicht angezeigt. Den Versuchungen der weltlichen Macht ist das Christentum seitdem immer wieder einmal erlegen, da ist Judas kein Einzelfall. Insofern ist Judas das durchaus traurige Beispiel eines Menschen, der auf das falsche Pferd setzt statt auf Gnade und Barmherzigkeit: Er geht im wahrsten Sinne des Wortes verloren.


Karfreitag

Am Karfreitag vergegenwärtigt sich die christliche Gemeinde das Sterben des Jesus von Nazaret. Sie betrachtet einerseits das menschliche Leid der Hinrichtung einschließlich der Trauer der Jesus nahestehenden Menschen, andererseits den Schmerz Gottes, der seinen Sohn in den Tod gibt, damit die Seinen leben können. Das heißt nicht, dass sie im physischen Sinne unsterblich werden, sondern dass sie in die Gemeinschaft mit Gott gelangen und darin auf ewig bleiben, insofern sie glauben und bekennen, dass Jesus ihre Schuld gesühnt hat. Dort sind sie Erben von Gottes Neuer Welt, in der die Liebe alles durchwirkt, kein Übel mehr quält und der Tod ganz und gar ausgespielt hat.

Während Gott vollkommen ist, sind die Menschen fehlbar und von ihrem Wesen her unfähig, sich für die Gemeinschaft mit Gott zu qualifizieren, so sehr sie sich auch anstrengen, nach seinem Willen zu leben. Theologisch gesprochen sind und bleiben sie Sünder, die für das Reich Gottes verloren sind. Nach Gottes Gesetz ist der Tod der Sünde Sold.

Das bringt Gott – wenn man das einmal ins Menschliche umsetzt – in ein Dilemma: Er liebt seine Menschen und möchte sie nicht verlieren. Um die Gültigkeit und Ernsthaftigkeit seines Gesetzes zu wahren und sich selbst treu zu bleiben, muss er es allerdings konsequent umsetzen, sonst macht er sich unglaubwürdig. Liebe und Gerechtigkeit sind also zunächst nicht vereinbar. Um sie dennoch zusammenzubringen, bedarf es einer bitteren Entscheidung: Wenn ein Unschuldiger sein Leben lässt, können damit die Vielen freigekauft werden. Der einzige jedoch, der tatsächlich heilig ist, ist Jesus von Nazaret, sein Sohn. Er wird also gestraft, wiewohl er sich nichts hat zuschulden kommen lassen. So wird der Gerechtigkeit Genüge getan. Die Vielen werden nun von Gott als solche gesehen, die gerecht sind. Wiewohl sie es in Wirklichkeit natürlich nicht sind, haben sie eine Art Passierschein, der sie als Gerechte ausweist, und gewinnen freien Eintritt in die Gemeinschaft mit Gott. Jesu Sterben ist daher ein stellvertretender Tod. Die Nutznießer sind alle Menschen, die das Angebot annehmen. Damit ist der Liebe Genüge getan.

Weil Gott natürlich auch seinen Sohn liebt und dessen freiwilliges unschuldiges Leiden anerkennt, erweckt er ihn vom Tode. So ist der Liebe ganz und gar Genüge getan: gegenüber den Vielen und gegenüber seinem einzigen Sohn. Die vergebende und versöhnende Liebe ist das große Geschenk und der Zentralgedanke des Karfreitags: „Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht“ (Johannes 3,16; Neue Genfer Übersetzung).

Der christliche Glaube zeigt im Blick auf den Menschen einen schonungslosen Realismus. So viel Gutes in ihm steckt, so hat er doch auch seine dunklen Seiten. Beides kann man nicht gegeneinander aufwiegen, beides hat vielmehr eine eigene Qualität. So ist am Karfreitag in den Gottesdiensten das Leid der Welt im Blick und daneben die Ermutigung, der von Gott her erfahrenen Liebe auch in der Welt zum Durchbruch zu verhelfen und das menschliche Leid zu lindern, wo immer das möglich ist.

Die Gottesdienste des Tages laufen oft nach einer besonderen, dem Tag angemessenen Liturgie, in der die Klage eine wichtige Rolle einnimmt. In der Regel wird das Abendmahl als Mahl der Vergebung gefeiert. Wo es üblich ist, werden um 15 Uhr Gottesdienste oder Konzerte zur Sterbestunde Christi angeboten.

Der Karfreitag ist ein stiller und geschützter Feiertag, an dem es von Staats wegen keine öffentlichen Vergnügungen geben darf („Tanzverbot“). Die restriktive Ahndung von Verstößen erscheint vielen heute nicht mehr angemessen, weil Christen und Christinnen vielerorts nur noch eine Minderheit bilden und es sogar innerhalb des Christentums keinen geschlossenen Konsens in dieser Frage mehr gibt. Außerdem wird die Freiheit der individuellen Lebensgestaltung ins Feld geführt, wo die Feiertagsruhe eingefordert wird. Wenn der Karfreitag auch nur noch für eine Minderheit ein Tag mit besonderer Tiefe ist, sollte dennoch ein Maß an Respekt möglich sein, wie man auch in der Hausgemeinschaft einem Nachbarn, der gerade einen Angehörigen verloren hat, Rücksicht entgegenbringt.


Karwoche

Die Karwoche (damit ist eine Klage-, Kummer- und Trauerwoche gemeint, mitunter auch „stille Woche“ genannt) umfasst den Leidensweg Jesu vom Einzug in Jerusalem (Palmsonntag) über das letzte Abendmahl (Gründonnerstag), die Erhebung der Anklage durch die jüdischen Behören, den Prozess vor dem römischen Präfekten, schließlich die Hinrichtung am Kreuz durch die Römer (Karfreitag) mit der unmittelbar anschließenden Grablegung bis zum Ruhen im Grab (Karsamstag).

Am Gründonnerstag sind die Paramente in den Gottesdiensten wegen der Einsetzung des Abendmahls in der Christusfarbe Weiß. Am Karfreitag ist die Altarbekleidung schwarz, wo es noch üblich ist, oder sie fehlt ganz. Der Altar selbst bleibt in vielen Gemeinden bis auf die Heilige Schrift leer. Die Glocken schweigen, oft bleibt auch die Orgel stumm bis zur Einholung des Christuslichts in der Osternacht oder am Ostermorgen.


Kreuz

Die in Palästina stationierten römischen Besatzungstruppen benutzten das Kreuz als ein besonders abschreckendes Hinrichtungsinstrument, das sehr oft auch in größeren Zahlen Anwendung fand. Die von den jüdischen Behörden beantragten Kapitalstrafen bedurften der Bestätigung und Ausführung durch die Römer. Jesus von Nazaret wurde von Mitgliedern des Hohen Rates als Hochverräter angeklagt, danach von den Römern verurteilt und am Kreuz hingerichtet. Da die Christen mit seinem Tod nicht das Scheitern seiner Mission verbanden, sondern seine Kreuzigung als ein stellvertretendes Sterben betrachteten, mit dem ein Unschuldiger für die Sünden der Vielen einsteht und ihnen Freiheit schafft, wurde das Kreuz zum Symbol für das Christentum. Es steht einerseits für das Leiden und Sterben Jesu und zugleich für den Sieg Jesu über den Tod und die bösen Mächte.


Kreuzigung

Die Strafe der Kreuzigung gilt als die ehrloseste aller Todesarten und wird nur vollzogen, wenn dem Delinquenten alle Bürgerrechte aberkannt sind. Jesus war kein römischer Bürger, daher gab es keinen prinzipiellen Hinderungsgrund, ihn zu verurteilen. Die Hinrichtungsmethode war dazu angetan, jeden Gedanken im Keim zu ersticken, dass der Delinquent einen glorreichen Märtyrertod stirbt. Systematisch wird ihm auch der letzte Rest Würde genommen. Die Spuren der vorausgegangenen Folter stehen ihm im Gesicht; das Hinrichtungskommando hat ihn auf brutale Weise seine Ohnmacht spüren lassen. Schon als er den Querbalken seines Kreuzes durch die Gassen tragen muss, ist er im Grunde ein Gebrochener.

Die Henker tun ihr Werk etwas außerhalb von Jerusalem an der sogenannten Schädelstätte vor einer gaffenden Menge. Viele Augen wollen sehen, wie die Arme des Delinquenten an den Querbalken gelegt und mit durch die Handwurzelknochen getriebenen Nägeln daran befestigt werden. Wenn es noch nicht geschehen ist, werden ihm alle Kleider vom Leib gerissen. Dann wird das Querholz mit dem Verurteilten in den eingerammten Pfahl eingepasst, und das Kreuz wird aufgerichtet. Die Füße des Opfers werden seitlich übereinandergelegt und ebenfalls mit einem Nagel am Kreuz befestigt. Die Grausamkeit der Soldaten kennt hier kaum Grenzen. Es gibt Berichte, dass in verschiedenen Körperstellungen gekreuzigt wurde, zum Teil auch mit dem Kopf nach unten. Eine Art Bänkchen am Pfahl stützt den Körper ab, stellt aber in Wahrheit eine teuflische Erleichterung dar, denn sie verzögert den Eintritt des Todes und verlängert das Leid.

Es ist kein Zufall, dass man den, der von sich sagt, er sei der Messias und Sohn Gottes, ans Kreuz nagelt. Überzeugender können Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit nicht publikumswirksam dargestellt werden, und je länger sich der Todeskampf hinzieht, desto deutlicher muss allen werden, dass dieser Gehenkte ein Nichts ist. Tagelang dauert es manchmal, bis der Tod eintritt. Durch die vorausgegangene Geißelung mit 39 Schlägen ist der Rücken aufgerissen mit der Wirkung von Verbrennungen dritten Grades an einem Drittel der Körperoberfläche. Das bedeutet zusätzliche Qual. Der Körper sackt nach unten, die Rippen werden hochgeschoben, erweitern den Brustkorb; nach etwa zehn Minuten treten Atembeschwerden ein wie bei einem schweren Asthma-Anfall. Schwere Krämpfe befallen die Muskeln des Körpers, Schweiß tritt in Strömen aus, die Lippen schwellen an, die Augen quellen hervor, der Blutdruck fällt, das Herz schlägt immer schneller, die Körpertemperatur steigt, schließlich erstickt das Opfer, wenn nicht der Kreislauf vorher kollabiert.


Leidenszeit

In der Werbung folgt Ostern direkt auf den Fasching. Die Leidenszeit, die ja auch zeigt, dass Jesus eine Leidenschaft für die Kleinen und Schwachen und Ohnmächtigen besitzt, wird ausgespart. Natürlich ist der Blick auf das Elend der Welt und die Erniedrigung des Menschen nicht verkaufsfördernd. Den Luxus von Haarpflegemitteln, Stylingprodukten und Parfums kann man nur genießen, wenn die stinkende Armut ausgeblendet wird.

Die Passionszeit besitzt hier eine ideologiekritische Komponente. Sie hinterfragt den schönen Schein des Konsums, indem sie den Blick auf das Himmelschreiende der menschlichen Existenz lenkt. Das Christentum ist weder eine Wohlfühl-Philosophie, die eine Insel der Seligen jenseits aller Tiefen und Abgründe anbietet, noch ein Konzept zur Selbstoptimierung, das im allgemeinen Hauen und Stechen den Verlierern keine Träne nachweint und Oberwasser verspricht. Im Gegenteil: Das Christentum verbindet eine schonungslos realistische Sicht auf den Menschen und die Welt mit dem Angebot, darin eine Haltung zu finden, die das Leid einfühlsam wahrnimmt und es zum Nutzen aller zumindest zu lindern hilft, eine Lebensweise, die sich von den Herausforderungen nicht herunterziehen oder korrumpieren lässt, und die sich eine hoffnungsfrohe Perspektive und liebevolle Zuwendung bewahrt, obwohl nach dem Augenschein vieles zum Fürchten ist. Die Energie dazu kommt nicht aus mehr oder weniger verborgenen menschlichen Ressourcen. Vielmehr verdankt sich dieser Lebensmut, der zu einer aktiven Wirklichkeitsbewältigung hilft, einer Offenbarung aus dem Himmel. Gott ist die Quelle von Liebe und Barmherzigkeit, die der Welt weitgehend abgeht, die sich aber der Verheißung nach am Ende durchsetzen wird. Diese durch Gott genährte Gewissheit hilft in den Niederungen des Alltags, die Haltung der Liebe zu bewahren und auf Kurs zu bleiben.


Osterbrot

Das Osterbrot erinnert mit seiner runden Form, der goldgelben Farbe und dem gelblichen Teig an eine Sonne: Christus ist das Licht der Welt. Mit Rosinen und anderen getrockneten süßen Früchten sowie Nüssen erinnert es andererseits an ein Früchtebrot, das in der Hoffnung auf ein fruchtbares Jahr und eine gute Ernte verspeist wird.


Osterei

Das Ei wird auch unabhängig vom Christentum als Symbol für den Beginn neuen Lebens verstanden, und die Färbung ist lange vor unserer Zeitrechnung bekannt. Als Osterei steht es gleichermaßen für Tod und Auferstehung: Die geschlossene Schale symbolisiert das Eingeschlossensein Jesu im Grab; am Ostermorgen wird die Schale von innen durchbrochen, wie ein Küken schlüpft - Jesus ist auferstanden.


Ostererzählungen

Die Evangelien erzählen vom Ostermorgen: Die Frauen, die Jesus bis unters Kreuz gefolgt sind, finden Jesu Grab leer vor. Ein Engel verkündet ihnen, dass Gott Jesus vom Tod auferweckt hat (Matthäus 28,1-8; Lukas 24,1-8). Jesus erscheint seinen Jüngerinnen, dann auch seinen Jüngern. Sie erkennen ihn (Lukas 24,13-31; Johannes 20,11-29). Jesus gibt ihnen den Auftrag, die gute Nachricht weiterzusagen (Matthäus 28,16-20; Johannes 20,19-23). Jesus ist nicht von Gott verworfen, sondern von ihm ins Recht gesetzt, und seine Sache, die mit der Kreuzigung am Ende schien, geht weiter. Gott kann alle Menschen aus Tod und Unrecht retten, wie er Jesus errettet hat. Der Apostel Paulus verbildlicht diese Hoffnung so: Wie der Same in die Erde fällt, stirbt und Neues hervorbringt, so kann aus verweslichem Leib ein neuer, unverweslicher Leib entstehen (1. Korinther 15,35-44).


Osterhase

Auch der Hase ist schon seit der Antike Sinnbild von Lebenskraft, Lebensfreude, Wiedergeburt und Auferstehung. Als Osterhase versinnbildlicht er die Auferstehung Christi und das neue Leben. Dazu kommt vielleicht noch: Wie sich eine Hasenpopulation in einer Art Schneeballsystem sehr schnell ausbreitet, so spricht sich auch der Osterglaube rasch herum: Einer erzählt‘s der anderen. Der Osterhase symbolisiert somit auch die Unaufhaltsamkeit, mit der die Botschaft von der Auferstehung jeden Winkel der Welt erfassen wird. Eine freudige Nachricht breitet sich aus.


Osterkerze

In vielen Gemeinden wird an Ostern die Osterkerze entzündet, die der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde das Licht der Auferstehung und des neuen Lebens sichtbar in Erinnerung bringt, mancherorts nur an den Sonntagen der österlichen Freudenzeit bis zum Tag Christi Himmelfahrt, öfters das ganze Jahr über. Wo der Brauch besteht, Taufkindern eine Osterkerze zu schenken, wird diese üblicherweise an der Osterkerze entzündet, verbunden mit dem Wunsch, dass das Licht des neuen Lebens im Taufkind Gestalt gewinnt.


Osterlamm

In der Figur des Osterlamms, das auch als Lamm Gottes bezeichnet wird, kondensiert sich der gesamte Glaube an die heilschaffende Bedeutung des Todes Jesu und seiner Auferweckung. Nicht zu Unrecht wird dieses Symbol daher als österliches Backwerk wie auch als Fleischgericht geschätzt. In der Kunst erscheint es häufig als ein Lamm, aus dessen Brust Blut in einen Kelch fließt (als Zeichen für das Sterben Jesu in Verbindung mit dem Abendmahl), und das zugleich eine Siegesfahne (zum Zeichen für die Überwindung des Todes) hält. Zwei Traditionsstränge führen auf das Osterlamm zu, der des jüdischen Pessach-Festes und ein alttestamentliches Lied vom Gottesknecht.

Der Schlüssel zum Verständnis des unkonventionellen messianischen Wesens Jesu war der Zeitpunkt seiner Hinrichtung zu dem Zeitpunkt, als in den jüdischen Häusern zur Vorbereitung des Pessach-Mahles ein fehlloses, kultisch reines Lamm geschlachtet wurde. Jesus als geschlachtetes Pessach-Lamm zu sehen, eröffnete das Verständnis seiner Bedeutung, denn damit vergegenwärtigt sich Israel, dass beim Auszug aus Ägypten das Blut eines Lammes an die Türpfosten der Häuser gestrichen wurde, um diese als israelitisch kenntlich zu machen. In der Nacht kam ein Engel Gottes und tötete in den nichtmarkierten Häusern alle Erstgeborenen, um den Pharao ultimativ dazu zu bewegen, Israel endlich in die Freiheit ziehen zu lassen, verschonte aber die Häuser der Israeliten, die in diesem Geschehen den Erweis von Gottes unbedingtem Freiheitswillen zugunsten Israels und eine Bestätigung ihrer Erwählung aus den Völkern erkennen konnten.

Durch die Gleichsetzung mit dem Lamm erschließt sich Jesus als das heilige, also Gott zugehörige, sündlose Opfer, dessen vergossenes Blut seine Anhänger mit in die Erwählungs- und Auszugs-Tradition Israels hineinnimmt und ihnen unüberbietbar Zukunft und Leben schenkt. Damit nicht genug, schlägt das Bild vom Lamm auch eine Brücke zum Jesajabuch und identifiziert Jesus als den 52,13ff beschriebenen „Gottesknecht” und „leidenden Gerechten”, der – selbst ganz unschuldig – das Gottwidrige der Menschen auf sich nimmt und durch seinen Tod sühnt: „Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.” Von den Menschen verachtet, schafft er denen, für die er gestorben ist, Frieden und Heilung und wird dafür „in die Länge leben”, wie es bei Jesaja heißt.

Das Osterlamm steht also für das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu, der den Seinen Erwählung, Leben und Zukunft erwirbt und ihnen den Weg ins Reich Gottes ebnet. Keineswegs zufällig haben diese Elemente Eingang in die Abendmahlsüberlieferung gefunden. Sie enthält deutliche Elemente des Pessach-Brauchs: Das am Tag geschlachtete Lamm wird am Abend, wenn das Pessach-Fest beginnt, gegessen. Beim Abendmahl schenkt sich Jesus den Seinen in Leib und Blut und gibt ihnen damit Anteil an der Befreiung von der Sündenmacht sowie am ewigen Leben, und die Gemeinde singt dazu: „Christe, du Lamm Gottes”.


Ostern

Ostern feiern wir am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Der Termin schwankt damit zwischen dem 22. März und dem 25. April. Auf jeden Fall passt das Fest der Auferstehung Jesu von den Toten wunderbar zum Wiedererwachen der Natur: Nach der kalten und dunklen Jahreszeit mit ihren Todes-Assoziationen grünt und blüht es wieder, und neues Leben bricht überall hervor. Das Licht wird intensiver und begünstigt die Ausschüttung von Serotonin und Dopamin, was eine gewisse Euphorie bewirken kann. Mit „Frühlingsgefühlen“ geht man auf Partnersuche. Auch im übertragenen Sinn steht der Frühling dafür, dass Altes und Erstarrtes zurückbleibt und Neues, Frisches, Zukunftsweisendes beginnt.

An Ostern feiern wir einen Paradigmenwechsel. Sah es bisher so aus, als sei der Tod der letzte Feind des Lebens und setze sich am Ende durch, so ist diese Grenze durch Jesu Auferstehung durchbrochen: Das physische Leben bleibt begrenzt, aber es gibt ein Leben bei Gott, das Ewigkeitscharakter besitzt. Der Tod kann die Geborgenheit bei ihm und seine Gemeinschaft nicht beenden. Am Ostermorgen liegt er praktisch bereits im Grab, seine Macht ist zerbrochen, sein Ende ist eingeläutet, denn es wird eine Zeit kommen, in der er völlig in Vergessenheit geraten sein wird. Das Leben trägt den Sieg davon. So kommt es zu der paradoxen Formulierung Jesu, die oft bei Bestattungen zu hören ist (Johannes 11,25f): “Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.” Paulus hat Leben und Tod ähnlich relativiert (Römer 14,8): “Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.”

Mit dem Tod haben auch die bösen Mächte ihre Stellung verloren. Kriege und Nöte, Ausbeutung und Gier geistern zwar weiterhin durch die Welt, aber nur noch vorläufig und auf Abruf; sie sind besiegbar. Der Tag wird kommen, an dem alle in Frieden und Einigkeit leben können. An Ostern wird also aus Angst Zuversicht und aus Resignation Hoffnung. Man heult nicht mehr mit den Wölfen, sondern singt fröhlich davon, dass sie im Grunde besiegt sind, auch wenn sie noch eine Weile ihr Unwesen treiben. Mit einem befreiten Osterlachen zeigen die Gläubigen, dass Tod und Teufel ihre Schrecken verloren haben und keinen Respekt mehr erwarten können, weil sich in der Auferstehung Jesu Gott als ihr Herr erwiesen hat. Erschien es bisher unmöglich, dass Liebe, Frieden und Versöhnung sich gegen Tod, Macht und Gewalt durchsetzen, ist das jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Ostern legt es nahe, umzusatteln: Wer die alten Herrschaftsinstrumente einsetzt, hat keine Zukunft, denn nur die Liebe hat Zukunft.

In seiner inneren Nähe zur Tradition des Auszugs Israels ins gelobte Land weist das Osterfest die Christinnen und Christen auf neue Wege: Sie müssen sich nicht mehr gewöhnen an verkrustete Strukturen und überkommene Ordnungen, die zwar eine gewisse Sicherheit bieten, aber auch einengen. Das Etablierte ist nicht sakrosankt; Aufbruch ist angesagt. Ostern hat damit eine starke herrschaftskritische Komponente, es drängt zu neuen Ufern, wo Leben und Freiheit sich neu entfalten können. Das gilt ebenso für das Leben in der Kirchengemeinde und die persönliche Existenz: Sich in der Gemeinde zurückzusehnen nach vergangenen Zeiten, sozusagen zu den Fleischtöpfen Ägyptens, und festhalten an dem, was man seit zig Jahren so praktiziert, kann man getrost vergessen, denn die Gemeinde muss sich der Gegenwart stellen. Auch die persönlichen Gewohnheiten und Einstellungen können eine Gefangenschaft bedeuten. Überall gilt: Kerker, Ängste und Bedenken können überwunden werden, denn die Botschaft Jesu hat Zukunft, und Gott führt auf neue Wege.


Osternacht

Wie bereits an Heiligabend das Weihnachtsfest seinen Anfang nimmt, so in der Osternacht die Feierlichkeiten zur Auferstehung. Am späten Abend des Karsamstags oder sehr früh am Ostermorgen wird die Auferstehung in einem Gottesdienst gefeiert. In der Liturgie spielen Dunkel und Licht eine bedeutende Rolle, sie beginnt oft in der noch unbeleuchteten Kirche. Die Kernbotschaft lautet: Das Licht der Auferstehung vertreibt die Finsternis. Der festlichste Moment ist der Einzug des Christuslichtes in Gestalt der Osterkerze, die zuvor am Osterfeuer entzündet worden ist.


Osterwoche

Umgangssprachlich wird die Karwoche mit dem Ausblick auf den Ostersonntag häufig als Osterwoche bezeichnet. Dadurch wird die Karwoche ausgeblendet. Nach christlicher Auffassung beginnt die Woche jedoch nicht am Montag, sondern am Sonntag. Daher ist die Osterwoche die Woche, die mit dem Ostersonntag beginnt.


Osterzeit

Nach der Passionszeit beginnt mit dem Ostermorgen die 50-tägige Osterzeit, die bis Pfingsten dauert. Im Mittelpunkt steht die Freude über die durch Jesus Christus geschenkte neue Lebensperspektive: Der Tod und die dunklen Mächte behalten nicht das letzte Wort, weil Jesus Christus durch seine Auferstehung den bisherigen „Weltmeister“ ein für alle Mal auf die Matte geschickt hat. Das Böse setzt uns noch hart zu, aber es ist bereits entthront. Als Christinnen und Christen leben wir mit Christus. Nichts und niemand kann aus der Gemeinschaft mit Gott herauslösen, daher leben wir mit der Perspektive der Ewigkeit in der sicheren Zuversicht, dass sich die Liebe durchsetzen wird. So ist unser Denken und Handeln weit über den natürlichen Horizont hinausgespannt und vom Reich Gottes her bestimmt.

Die ersten Namen der Sonntage in der Osterzeit klingen nach Jubel und stimmen den Grundton der Freude an:
Quasimodogeniti: „Wie die neugeborenen Kinder“ fühlen wir uns im neuen Leben mit Christus.
Misericordias Domini: „Die Barmherzigkeit des Herrn“ stellt den Guten Hirten heraus.
Jubilate: „Jauchzet Gott, alle Lande“ und bleibt in Jesus Christus, dem Weinstock, der alles zur Verfügung stellt, was zum Leben nötig ist.
Kantate: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“
Rogate: „Betet“, denn wer bittet, dem wird gegeben werden. Gott ist stets nur ein Gebet weit entfernt.

Der Tag Christi Himmelfahrt markiert danach einen Einschnitt und schließt den Osterfestkreis ab: Der Auferstandene ist jetzt nicht mehr da. Er sitzt zwar wieder im Zentrum der himmlischen Macht, ist damit aber auch weiter weg, und seine Gegenwart ist noch nicht spürbar. Zum Glück wird es nur zehn Tage später Pfingsten!
Exaudi: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und erhöre mich!“ Das klingt angespannt, weil sich die Gemeinde – bereits ohne Jesus in ihrer Mitte und noch ohne die heilige Geisteskraft als seine Vergegenwärtigung – in der Anfechtung und im Warten unsicher fühlt. Der Sonntag Exaudi ist mehr auf Pfingsten bezogen als auf Ostern.
Pfingsten: Der Heilige Geist wird ausgegossen: ein Beistand, ein Tröster, ein Mutmacher, ein Vermittler von Erkenntnis. Das gibt der Gemeinde die Sicherheit und Zuversicht, die sie in der Welt dringend braucht.


Palmsonntag

Der Sonntag vor Ostern hat traditionell den Einzug Jesu in Jerusalem zum Thema und damit den Beginn der letzten Lebensphase Jesu. Zur jubelnden Begrüßung legen Leute ihre Kleider auf die Straße, um Jesus sozusagen einen roten Teppich auszurollen, und wedeln mit Palmzweigen. Seine Wunder sind bekannt, daher wird er begeistert als neuer Messias empfangen in der Erwartung, dass er das Leiden seines Volkes unter der römischen Besatzung beenden wird.

Hat man eben noch „Hosianna“ gerufen, heißt es allerdings am Karfreitag bereits „Kreuzige ihn!“, als klar wird, dass er nicht als neuer Gewalthaber gekommen ist; Ähnlichkeiten zur Überhöhung und dem anschließenden tiefen Fall von Führungspersönlichkeiten heute sind nicht zufällig. Die Anhängerschaft Jesu hat eine gute Weile gebraucht, um das auch sie überfordernde Geschehen als spirituell zu verstehen und fruchtbar zu machen.


Passionszeit

In der evangelischen Kirche bezeichnen wir die Zeit vom Aschermittwoch bis zum Karsamstag als Passionszeit. Im Mittelpunkt steht dabei die Erinnerung an die Verurteilung, den Verrat und die Kreuzigung Jesu, verbunden mit der Bemühung, dessen Leidensgeschichte für unsere eigene Lebensführung fruchtbar werden zu lassen. Entsprechend ist die Passionszeit eine Reflexions- und Bußzeit, in der die eigene Lebenspraxis am Maßstab von Jesus Christus überprüft und hinterfragt wird, in der aber auch auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam gemacht wird, auf himmelschreiendes Leid etwa. Leitend ist dabei der Gedanke, dass Gott durch das Leiden und Sterben Jesu (dessen „Passion“) von sich aus dem Sünder den Weg zu sich gebahnt hat und ihm gnädig Zugang zur Gemeinschaft mit sich gewährt. Von daher wissen sich die Protestanten in der permanenten und letztlich unbezahlbaren Schuld gegenüber Gott: Mit ihrem ganzen Leben wollen sie Gott so gut als möglich für seine Barmherzigkeit danken und es in seinem Sinn gestalten.

Aus der Erfahrung der Liebe Gottes ergibt sich eine achtsame und liebevolle Haltung gegenüber der gesamten Schöpfung, die sich natürlich auch im Verzicht auf bestimmte Lebensmittel (Billigfleisch, bedrohte Tierarten, genmanipulierte Pflanzen) und in einer ressourcenschonenden Lebensweise äußern darf. Eine Enthaltsamkeit (Fasten) ist in der Passionszeit nicht zwingend, allerdings lädt die evangelische Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ dazu ein, in dieser Zeit Verhaltensweisen und Gewohnheiten aufzugeben, die einer christlichen Lebensweise nicht entsprechen. In den Kirchen ist die Farbe der Altarbekleidung Lila. Man verbindet damit die Sehnsucht nach Licht und Leben, vor allem aber die Neubesinnung und Umkehr.

Die Namen der Passions-Sonntage greifen programmatische Bibelstellen in lateinischer Sprache auf.
Invocavit: „Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören, ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen“ (Psalm 91,15).
Reminiscere: „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind“ (Psalm 25,6).
Oculi: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn der Herr wird meine Füße aus dem Netz ziehen“ (Psalm 25,15).
Laetare: „Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über sie alle, die ihr sie liebhabt! Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom“ (Jesaja 66,10.12).
Judica: „Gott, schaffe mir Recht und führe meine Sache wider das unheilige Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!“ (Psalm 43,1).
Palmarum: Hier steht kein Bibelvers im Hintergrund, der Name nimmt vielmehr Bezug auf die Palmzweige, die von den Jerusalemern und Jerusalemerinnen im Jubel zur Begrüßung Jesu geschwungen werden.


Pessach

Der Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu war von dessen Tod zunächst irritiert und rang um Verstehen. Da Jesus unmittelbar vor Beginn des jüdischen Pessachfestes gekreuzigt worden war, zu der Zeit nämlich, als die Lämmer für das Pessach-Mahl geschlachtet wurden, wurde Jesus als Pessach-Lamm gedeutet.

Beim Pessach-Fest wird das Wunder der Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten gefeiert. Freiwillig hat der Pharao die billigen israelitischen Arbeitskräfte nicht ziehen lassen, da hatte Gott die Hand im Spiel. Er hat dem Machthaber gehörig eingeheizt: Plagen sind über das Land gekommen – unter anderen Frösche, Heuschrecken, ein in Blut verwandelter Nil. Der Pharao blieb stur. Zuletzt als zehnte Plage kam ein Engel, der die Erstgeburt der Ägypter getötet hat. Alle Familien waren betroffen, die nicht die Türpfosten ihres Hauses mit dem Blut kultisch reiner Lämmer gekennzeichnet hatten. An denen nämlich ging der Engel in jener Nacht vorüber, er verschonte sie. Daher heißt das Fest der Befreiung auch Pessach, das Fest der Verschonung. Gott schlug nur die Ägypter und ließ die Seinen am Leben.

Durch die Gleichsetzung mit jenem Pessach-Lamm wird Jesus als das heilige, also Gott zugehörige, sündlose Opfer interpretiert, dessen vergossenes Blut dafür sorgt, dass die Menschen, die als Sünder von Gott getrennt sind, vor dem Verlorensein verschont werden. Gott geht sozusagen an ihnen vorüber, ohne sie zu strafen, und sie werden Teil seiner Gemeinschaft, die er rettet und befreit. Während beim jüdischen Pessach jedes Jahr Lämmer geschlachtet werden müssen, versteht sich Jesu Selbsthingabe als einmaliges und für alle Zeiten gültiges Opfer: Jesus war das ultimative Pessach-Lamm, das unschuldig in den Tod gegangen ist, damit alle Menschen in allen zukünftigen Generationen befreit vom Joch des Bösen und des Todes leben können.


Schächer

Mit Jesus werden zwei weitere Männer gekreuzigt, einer rechts und einer links von ihm, die beiden Schächer, Verbrecher also. Für die Evangelisten Matthäus und Lukas ist das nur relevant, insofern sich darin ein Wort der hebräischen Bibel erfüllt: „Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden“. Nach dem Evangelisten Lukas jedoch repräsentieren die beiden unterschiedliche Möglichkeiten, das Kreuzesgeschehen zu verstehen. Die kirchliche Tradition weiß sogar ihre Namen: Dismas wurde bezeichnenderweise auf der „rechten“ Seite gekreuzigt und Gestas auf der „linken“. Letzterer stimmt ein in den Spott vieler Umstehender. Wie sie, so fordert auch er Jesu Absprung vom Kreuz, wenn er wirklich Gottes Sohn ist. Eine heilvolle Veränderung kann er sich nicht anders vorstellen, als dass sie machtvoll in der Welt Platz greift und als Befreiung spürbar wird. Jesus wäre der Messias, wenn er die Welt verbesserte, indem er den Geschundenen vom Kreuz herabhilft und die Schinder straft.

Dismas dagegen bekennt sich selbst schuldig und empfindet seine Strafe als gerecht. In Jesus aber sieht er den unschuldig Leidenden, der sich freiwillig in sein Geschick verstricken lässt um anderer willen. So erkennt Dismas – die Einsicht des Lesers vorwegnehmend – Jesus als den zu Gott gehenden Heiland und bittet ihn, in seinem Reich seiner zu gedenken. Indem Jesus zu ihm sagt: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, erweist er sich als sein Erlöser, der in der ihm von seinem Vater verliehenen Vollmacht spricht.


Sieben Wochen ohne

Der Protestantismus kennt keine Speisegebote, es gibt daher auch keine Fastenzeiten. Dennoch kann eine bewusst eingeschränkte Lebensweise – zum Beispiel mit dem Verzicht auf Fleisch – auf freiwilliger Basis dabei helfen, sich besser auf geistliche Aspekte des Lebens zu konzentrieren. Die evangelische Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ will in der Passionszeit zu einer Reflexion der eigenen Lebensgewohnheiten und einer bewussten Neuorientierung („Umkehr“) anleiten. Sieben Wochen zum Beispiel ohne Lügen, Kneifen, Sofort, Enge, Runtermachen, falsche Gewissheiten, Vorsicht, falschen Ehrgeiz, Ausreden – und in diesem Jahr ohne Pessimismus – üben christliches Denken und Handeln ein.


Sieben Worte am Kreuz

Insgesamt sieben letzte Worte Jesu am Kreuz sind in den Evangelien überliefert. Sie greifen wesentliche Aspekte seiner Verkündigung auf und verdichten sie.

1. Um die neunte Stunde schrie Jesus laut: „Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46 und Markus 15,34)

Jesus hat mit dem ersten Vers aus Psalm 22 den ganzen Psalm gebetet, ob ausgesprochen oder nur gedacht. Der Psalm beginnt mit einem Schrei der Gottverlassenheit, jedoch bleibt der Beter nicht darin stecken, vielmehr gelangt er in dem Sterbegebet durch seine tiefe Todesnot hindurch zu einer starken Zuversicht zur Nähe und Treue Gottes und am Ende sogar zu einem Gotteslob.

2. Während seine Schinder unten sitzen und seine Kleider untereinander verteilen, sagt der am Kreuz Hängende: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34)

Natürlich ist die römische Kohorte, die mit der Hinrichtung Jesu beauftragt ist, in ihrem Sicherheitsdenken gefangen und wähnt, damit ein gutes Werk zur Gefahrenabwehr zu tun. In Jesus Gottes Sohn zu erkennen, liegt den Soldaten fern. Auch gegenüber seinen Peinigern lässt Jesus keinen Fluch und keine Beschimpfung hören. Jesus leidet so, wie er es in der Bergpredigt gefordert hat: „Liebe deine Feinde!“, „Halte dem, der dich auf die rechte Backe schlägt, auch die andere hin!“
Er leistet Fürbitte selbst für diese Folterknechte! Er will sie sogar zu sich in sein Reich ziehen, wenn sie auch in dumpfer Ignoranz verharren. Er stirbt auch für die, welche diesen Tod als banalen Akt empfinden.

3. Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lukas 23,43)

Einer der beiden Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt werden, anerkennt seine Schuld und die Gerechtigkeit seiner eigenen Bestrafung. Im Gegensatz zu dem anderen sieht er in Jesus jedoch nicht den Versager, der sogar unfähig ist, sich selbst zu retten, sondern den wahren Messias. Ihn bittet er in gläubiger Zuwendung, bei seiner Inthronisation zur Rechten Gottes an ihn zu denken. Jesu Antwort ist eine Gerechtsprechung des Übeltäters: Für den reuigen Sünder steht der Weg in das Reich Gottes offen! Der zweite Schächer wird für den Leser zum Vorbild.

4. Und Jesus rief laut: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46)

Auch dies ist kein Ruf der Verlassenheit, sondern des glaubenden Vertrauens. Jesus ist in die Hände der Menschen gegeben worden, und nun übergibt er sich selbst (wieder) in die Hände seines Vaters. „Mein Geist“ meint nicht die Seele, sondern das Ganze der lebendigen Person. Jesus lebt und stirbt in inniger Gemeinschaft mit Gott.

5. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!“ (Johannes 19,26-27)

Jesus geht es nicht in erster Linie darum, dass seine Mutter versorgt ist. Das wäre zu vordergründig gedacht. Noch im Sterben hat er im Kopf, was seine Leute brauchen – so übt er Nächstenliebe und mahnt zugleich bei seiner Mutter und dem Jünger, der ihm besonders nahe steht, genau jene Nächstenliebe an, die er immer gepredigt hat. Maria und der Lieblingsjünger hatten ja bisher nichts gemein. In der Liebe jedoch werden sie einander zu Nächsten und sind jetzt praktisch eine Familie. Und was für die beiden gilt, das gilt gewiss für alle in der Nachfolge Jesu.

6. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet.“ (Johannes 19,28)

Der elementar menschliche Ruf zeigt die ganze qualvolle Situation des Gekreuzigten, der sich nicht helfen kann, sondern angewiesen ist auf die Gnade anderer. Ohnmacht und Armut Jesu werden darin offenkundig. Im 63. Psalm bringt ein Beter mit diesen Worten seine Sehnsucht nach Gott zum Ausdruck: „Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürren Land, wo kein Wasser ist.“ Jesus betet also zu Gott um Zuwendung und Hilfe, um „Leben“. Mit seinem Ruf "Mich dürstet!" erweist sich Jesus einerseits als bedürftiger Mensch, andererseits als einer, der sich auf Gott angewiesen weiß und ganz gewiss ist, von Gott die Erquickung des Lebens zu erhalten.

Der Essig, den der Soldat ihm reicht, meint hier nicht in erster Linie eine als Durstlöscher dienende Weinschorle, sondern in der Tat ein ungenießbares Gesöff wie in Psalm 69. Dort wird ein Beter zu Unrecht verfolgt und ohne Grund gehasst, und er steht unter falscher Anklage. Man treibt seinen Spott mit ihm und redet ihm übel nach. Über seine Verfolger sagt er: "Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst." So wird eine deutliche Linie gezogen zwischen jenem leidenden Gerechten und Jesus am Kreuz. Der Essig bringt ihm durchaus keine Erfrischung, bedeutet vielmehr eine weitere Schmähung, die der Gerechte zu erdulden hat. Es ist in der Darstellung des Johannes sozusagen der Gipfel des Spottes, einem hilflos und ohnmächtig auf andere angewiesenen Gekreuzigten Essig darzubieten.

7. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht!“, und neigte das Haupt und verschied. (Johannes 19,30)

Auf der menschlichen Ebene bringen diese Worte zum Ausdruck: „Ich muss jetzt sterben“. Johannes versteht Jesu Tod aber nicht als ein passives Erleiden, vielmehr ist mit seinem Tod ein Werk vollendet. Jesus hat den Sieg über die Mächte dieser Welt und über den Tod errungen. Er stirbt zwar wie ein Ungerechter, jedoch nicht als ein solcher. Er geht an der Last unserer Sünden zugrunde, damit wir nicht daran zerbrechen. Vollbracht hat er die Vergebung unserer Sünden und den Erweis der Liebe Gottes.


Sonntag

Die christliche Gemeinde begeht jeden Sonntag in der Erinnerung an die Auferstehung Jesu als kleines Ostern. Der Tag des Herrn, wie der Sonntag auch genannt wird, ist also verbunden mit der Freude über Jesu Sieg über das Böse und den Tod. Dieser positive Wochenauftakt will in die Woche hineinstrahlen und den Horizont bestimmen: Wir kommen von Ostern her, daher verlieren wir uns nicht an destruktive Mächte und Gedanken, sondern leben befreit, hoffnungsfroh und mutig im Licht der Auferstehung.

Der Sonntag erinnert an die Auferstehung Jesu, die für uns auch ein Aufstehen aus ungerechten Verhältnissen bedeutet, ein Aufstehen aus Resignation und Angst, ein Aufstehen aus falschen Bindungen und Abhängigkeiten. Jesus hat den Sieg davongetragen über alle Todesmächte, darum sind wir dem Leben zugewandt und der Zukunft in Gottes Reich.

Der Sonntag ist der Tag des Kontakts mit dem Himmel, an dem wir die Dinge schauen, die wir nicht mit bloßen Augen sehen können, die aber trotzdem real sind und unser Leben mehr bestimmen müssen als das, worin wir im Alltag wohl oder übel verstrickt sind. Der Sonntag ist darum auch der Tag, an dem wir unseren Glauben zurückgewinnen, dass wir nicht verloren sind.


Taufe

Taufen, die in den Ostergottesdiensten vollzogen werden, sind von der Symbolik her besonders dicht dran am Grundgedanken der Taufe. Nach biblischer Redeweise sind wir mit Christus in seinen Tod getauft und mit ihm auferstanden zu einem neuen Leben. Das Taufwasser besitzt daher eine ambivalente Bedeutung: Es kann den Tod bringen (Erinnerung an den Karfreitag), aber auch das Mittel zum Leben sein (Ostern). Der von vielerlei ungünstigen Loyalitäten geleitete und darin letztendlich verlorene „alte“ Mensch wird im Wasser der Taufe „ersäuft“, wie Luther es drastisch ausdrückte, der aus der Taufe hervorgehende „neue“ Mensch dagegen hat bei Gott ewiges Leben, auch wenn er physisch den Tod erleidet; er orientiert sich in seinem Denken und Handeln an Jesus Christus und steht auch in dessen Schutz. Wenn Jesus dereinst wiederkommen und die Toten auferwecken wird, darf der im Glauben gebliebene Täufling noch einmal ganz neu zu den Lebenden gehören.


Wilfried Steller

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