Der Jahreskreis
Anders als das kalendarische Jahr beginnt das Kirchenjahr am 1. Advent. Die Hoffnung auf einen Neustart inmitten der vielen Irrnisse und Wirrnisse des Weltenlaufes beseelt und gewinnt an Weihnachten - in tiefster Dunkelheit - buchstäblich Hand und Fuß in der Gestalt des neugeborenen Jesuskindes. In einer Welt von Tod und Teufel setzt Jesus neue Prioritäten, indem er Liebe zum Durchbruch bringt.
Das zeigt sich in besonderer Weise in seinem Leiden und Sterben: Indem er die Schuld der Menschheit auf sich nimmt, macht er sie unwirksam; sie vergiftet nicht mehr das Miteinander. Das ist Gegenstand der Betrachtung in der Passionszeit.
An Ostern wird dann - parallel zum Aufbruch in der Natur - klar: Wir, die Christus nachfolgen, können die Welt mit anderen Augen betrachten und uns fühlen wie neu geboren.
Der Heilige Geist (Pfingsten) beflügelt uns darin. Die Trinitatis-Sonntage thematisieren dann über den Sommer ganz unterschiedliche Aspekte des christlichen Lebens.
An den letzten Sonntagen des Kirchenjahres, die in den November fallen, rücken die „Letzten Dinge“ in den Mittelpunkt: Wir gedenken unserer Hinfälligkeit und der Irrnisse und Wirrnisse in unserer Welt und fragen, wie es wohl weitergehen wird. Die Antworten fallen ganz anders aus als die Befürchtungen: Diese Welt mag ihr Ende finden, wir dagegen können auf das Reich Gottes hoffen. Gott hält Gericht über die Welt, wir aber sehen die Chance zur Umkehr und gehen der Barmherzigkeit entgegen, statt die gerechte Strafe für unsere Bosheit erleiden zu müssen. Die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde schließlich weist in die Ewigkeit. Wir fallen nicht ins Nichts, sondern sind auf alle Zeit bei Gott gut aufgehoben. Damit schließt sich der Kreis des Kirchenjahres.
Wilfried Steller
Das Einmaleins des Kirchenjahres
Die christlichen Feiertage im ersten Halbjahr kreisen um Tod und Auferstehung, um Himmelfahrt und Pfingsten, und sie bieten reichlich Anlass, sich mit christlichem Glauben und Leben zu beschäftigen. Zugleich unterbrechen sie den Arbeitsalltag und laden ein, Urlaub und verlängerte Wochenenden zu genießen. Schüler wissen die „beweglichen Ferientage“ nach Himmelfahrt und Fronleichnam ohnehin zu schätzen.
Dass diese Feiertage immer auf Donnerstage fallen, ist dem Osterfestkreis geschuldet. Wichtigstes Datum darin ist das Osterfest selbst, das nicht wie Weihnachten an einem festen Datum gefeiert wird, sondern am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond. Und da als Frühlingsanfang der 21. März festgelegt ist, fällt Ostern frühestens auf den 22. März und spätestens auf den 25. April.
Vom Ostersonntag her lassen sich alle anderen christlichen Festtage im ersten Halbjahr berechnen. Voraus geht die 40-tägige Passionszeit in Erinnerung daran, dass Jesus 40 Tage in der Wüste verbrachte; die sechs Sonntage sind allerdings aus dieser Rechnung herausgenommen, da sie nicht als Fastentage gelten. So weiß man, dass der Aschermittwoch 46 Tage vor Ostern liegt. Ein wenig anders geht die Rechnung von Karfreitag bis Ostern: Hier wird der erste Tag mitgezählt, sodass die Auferstehung tatsächlich „am dritten Tag“ nach der Kreuzigung gefeiert wird.
Pfingsten liegt 50 Tage nach Ostern (Apostelgeschichte 2), wobei das Ausgangsdatum wieder als der erste Tag zählt, sodass man auf einen Sonntag kommt. Der Sonntag bietet sich als Feiertag immer an, weil er generell mit der Auferstehung in Verbindung steht. Ausnahmen bestätigen die Regel: Am vierzigsten Tag seit Ostern ist Himmelfahrt. Nach der Regel, dass der erste Tag mitgezählt wird, ist das immer ein Donnerstag. Ebenfalls von Ostern abhängig ist das Datum des Fronleichnamstages im Katholizismus. Er wird tatsächlich am 60. Tag nach Ostern gefeiert, hier wird also der erste Tag nicht mitgerechnet. Das hat einen guten Grund, denn das Fest soll unbedingt auf einen Donnerstag fallen - in Erinnerung an den Gründonnerstag, als Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl feierte. Da man in der stillen Karwoche das Sakrament der Eucharistie nicht groß feiern kann, wird das mit einer feierlichen Prozession am Donnerstag nach dem Trinitatisfest nachgeholt.
Wilfried Steller
Kirchliche Farbenlehre
Zur Feier eines Gottesdienstes gehören ansprechende Worte und Musik - und ein sorgfältig gestalteter Raum. Er leistet durch Architektur und Kunst seinen eigenen Beitrag zum religiösen Erlebnis und bietet Möglichkeiten zur Meditation. Nicht zuletzt die im Gottesdienst verwendeten Textilien sind hier zu nennen, die so genannten Paramente. Eine herausgehobene Bedeutung haben dabei die den Altar und die Kanzel bekleidenden Behänge (Antependien), in der Regel künstlerische und handwerkliche Meisterstücke. Sie lenken die Blicke dahin, wo beim Abendmahl die Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise gepflegt und das Wort Gottes weitergegeben wird. Zugleich transportieren sie durch Farben und Formen Botschaften und Stimmungen.
In einer evangelischen Kirche sind im Jahreskreis meist vier Antependien-Sätze in den liturgischen Grundfarben Weiß, Violett, Rot und Grün im Gebrauch. An allen Christusfesten - Weihnachten und Epiphanias, Osterzeit, Himmelfahrt, Trinitatis, Ewigkeitssonntag – sind sie weiß, denn der auferstandene Christus ist das Licht der Welt und schenkt neues Leben. Weiß ist die Farbe des Lichtes, der Freude, des Festes, der Reinheit.
In den Vorbereitungszeiten auf die großen Feste Weihnachten und Ostern, den vier Wochen des Advents und den sieben Wochen der Passionszeit, sowie am Buß- und Bettag symbolisiert Violett als eine Mischfarbe die Spannung zwischen Diesseits und Jenseits, Welt und Reich Gottes und mahnt zu Besinnung und Neuorientierung.
Rot gehört zu den Festen der Kirche: Pfingsten, Reformationstag, Konfirmation, Einführungen, Mission und Ökumene, Kirchweihe. Sie steht für Energie und Liebe. Als Farbe des Feuers erinnert sie an die einigende und ermutigende Kraft des Heiligen Geistes an Pfingsten, als Farbe des Blutes an die Ausbreitung der Kirche durch die Märtyrer, als Farbe der Liebe an die Einheit aller Christen mit ihrem Herrn.
Grün schließlich steht für Saat und Wachstum, für Hoffnung und Leben. In der festlosen Zeit des Kirchenjahres in Sommer und Frühherbst, zum Beispiel an Erntedank, und am letzten Sonntag im Kirchenjahr erinnert das Grün, dass Gott an seinen Verheißungen festhält: Saat und Ernte werden nicht aufhören, und das Reich Gottes wächst. – Wo zusätzlich ein schwarzes Antependium in Gebrauch ist, wird es zum Zeichen von Trauer und Schmerz an Karfreitag und am Totensonntag verwendet.
Wilfried Steller