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Zusammen Gemeinde|n?

Die Zukunft der Ortsgemeinde liegt in der Region, das ist eine ausgemachte Sache. Vieles spricht für eine engere Zusammenarbeit der Gemeinden.

Diese entlastet, wo die organisatorischen und Verwaltungsaufgaben schwerfallen, weil Ehrenamtliche fehlen. Sie erleichtert die Wahl guter Lokalitäten für das Gemeindeleben, wenn nicht mehr alle Gebäude finanziert werden können. Sie sichert die Präsenz von Hauptamtlichen (Pfarrpersonen, Kirchenmusiker:innen und Gemeindepädagog:innen), wo Stellen abgebaut oder nicht besetzt werden können. Und sie macht die Verwaltung effektiver und kostengünstiger.

Auch Befürchtungen liegen freilich auf der Hand: Der Verlust von Eigenständigkeit bereitet Schmerzen. Den Ehrenamtlichen droht die Nähe zum Ort und zu den Menschen verloren zu gehen; alles rückt weiter weg. Die einzelnen Pfarrpersonen haben zwar feste Bezirke, sind aber auch für die gesamte Nachbarschaft zuständig und deswegen weniger in „ihrer“ Gemeinde verwurzelt.

Die Landeskirche überlässt den Kirchengemeinden die Wahl, wie umfänglich die Kooperation ausfällt. Dabei ist klar, dass Gebäude aufgegeben werden müssen und ein „Verkündigungsteam“ die gesamte Nachbarschaft bespielt. Immerhin können die Kirchengemeinden entscheiden, ob sie einen Großteil ihrer Selbstständigkeit wahren und sich „nur“ in einer Arbeitsgemeinschaft mit einem gemeinsamem Geschäftsführenden Ausschuss zusammentun, ob sie sich unter dem Dach einer Gesamtgemeinde zusammenschließen, oder ob sie sozusagen alles zusammenwerfen und zu einer einzigen Gemeinde verschmelzen.

Wie die Entscheidungen in der Nachbarschaft Rhein-Lahn ausfallen, steht noch dahin. Eine Gemeinde mit funktionierendem Gemeindeleben und einer ausreichenden Zahl an Ehrenamtlichen wird womöglich viel Eigenes bewahren wollen. Gemeinden, in denen bereits jetzt viel Erosion spürbar ist, geben Teile ihrer Selbstständigkeit vermutlich leichter auf. Allerdings spielen bei der Entscheidungsfindung unabhängig davon auch zum Beispiel Faktoren wie Konkurrenz/Antipathie und Sympathie/Nähe eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In den Kirchenvorständen und Gemeinden werden die Vor- und Nachteile voraussichtlich sehr unterschiedlich gewichtet.

Am Ende des Prozesses wird es innerhalb der Nachbarschaft die eine oder andere Fusion bzw. Gesamtgemeinde geben, und die einzelnen Gebilde werden sich dann tendenziell in einer Arbeitsgemeinschaft gruppieren. Es sei denn, alle springen über ihre Schatten, und es gelingt der ganz große Wurf, bei dem eine Evangelische Kirchengemeinde Rhein-Lahn entsteht.

Derzeit sind wir ganz am Anfang des Weges zur neuen Rechtsform. Aber viel Zeit ist nicht, denn schon zum 1. Januar 2027 soll sie Wirklichkeit werden. Dazu ist es erforderlich, dass sich wegen der vorher nötigen Gemeindeversammlung, der Abstimmung mit dem Dekanatssynodalvorstand und des verwaltungsmäßigen Vorlaufs die Gemeinden bereits bis Ende 2025 entschieden haben. Im ersten Halbjahr 2026 laufen dann  die konkreten Vorarbeiten.

Wilfried Steller

 

Rechtsformen der Kooperation

1. Gemeindefusion

Durch den Gemeindezusammenschluss entsteht eine neue Kirchengemeinde. Sie ist Rechtsnachfolgerin der bisherigen Einzelgemeinden, die nicht weiter fortbestehen. Sie ist die einfachste Organisationsform und bietet dabei weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten in der inneren Organisation durch eine Geschäftsordnung, die vom Kirchenvorstand zu beschließen ist. Mit dem Gemeindezusammenschluss auf der Ebene des Nachbarschaftsraums gibt es mit dem Kirchenvorstand nur noch ein Leitungsorgan als Gegenüber zu Verkündigungsteam und gemeinsamem Gemeindebüro. Er bietet daher die besten Möglichkeiten für eine möglichst schlanke gemeindliche Verwaltung. Einzelheiten des Zusammenschlusses werden in einer Vereinigungsvereinbarung geregelt.

2. Gesamtkirchengemeinde

Die Gesamtkirchengemeinde ist ein Zusammenschluss mehrerer Kirchengemeinden unter dem Dach einer gemeinsamen, neu gebildeten Kirchengemeinde. Die bisherigen Kirchengemeinden bleiben als rechtlich selbstständige Ortskirchengemeinden bestehen. Im Rechtsverkehr handelt nur noch die Gesamtkirchengemeinde. Grundsätzlich ist die Gesamtkirchengemeinde für alle kirchengemeindlichen Aufgaben in ihrem Bereich zuständig und nimmt für die an ihr beteiligten Ortskirchengemeinden alle Aufgaben wahr, die nicht an einzelne oder mehrere Ortskirchenvertretungen oder Ortsausschüsse übertragen werden. Die Gesamtkirchengemeinde bedarf einer Satzung, die kirchenaufsichtlich genehmigt werden muss. Es wird ein Gesamtkirchenvorstand als einziges Leitungsorgan gebildet, der durch Ortskirchenvertretungen oder Ortsausschüsse ergänzt werden kann, aber nicht muss.

3. Arbeitsgemeinschaft mit geschäftsführendem Ausschuss

Bei einer Arbeitsgemeinschaft bleiben die bisherigen Kirchengemeinden als rechtlich selbstständige Körperschaften bestehen, die bestimmte Aufgaben gemeinsam wahrnehmen. Gesetzlich geregelt ist dies für die wesentlichen gemeinsamen Angelegenheiten von Personal, Gebäuden und Verwaltung. In den gemeinsamen Aufgabenfeldern entscheiden nicht die einzelnen Kirchenvorstände, sondern der von allen Kirchenvorständen zu besetzende geschäftsführende Ausschuss. Für alle anderen Aufgaben bleiben die einzelnen Kirchenvorstände weiter zuständig. So entscheidet der geschäftsführende Ausschuss zum Beispiel über die Einstellung von Mitarbeitenden für die gemeinsame Verwaltung, nicht aber über die Einstellung eines Hausmeisters, der nur in einer der beteiligten Gemeinden beschäftigt ist.

Über die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft mit geschäftsführendem Ausschuss beschließen die beteiligten Kirchenvorstände in Form einer Satzung, die kirchenaufsichtlich genehmigt werden muss.

Der Text zu den Rechtsformen sowie die Grafik sind der Handreichung „Rechtsformen der Zusammenarbeit im Nachbarschaftsraum“ (Herausgeberin: EKHN) entnommen.


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