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Geistliches Wort

Schwachheit ist kein Makel

Angesichts der vielen Herausforderungen unserer Zeit in Kirche und Gesellschaft, in Politik und Wirtschaft kommt unsereins sich mitunter klein und ohnmächtig vor. Die selbsternannten Retter dieser Welt übertrumpfen sich gegenseitig, indem sie sich selbst und ihre angeblichen Fähigkeiten und Leistungen groß herausstellen, um die „Bestimmer“ zu geben. Demokratie geht anders.

Auch der Apostel Paulus kann ein Lied davon singen, wie sich seine Zeitgenossen rühmen mit ihren Verdiensten, mit Wundertaten und anderem mehr. Schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als darauf zu reagieren. Wohl könnte er seinerseits auf dieses und jenes Geleistete verweisen, doch damit würde er nur “mehr vom Selben” produzieren. Er wählt daher einen ganz anderen – eher ungewöhnlichen – Weg. Einen Weg, von dem er hofft, dass er der konkreten Gemeinde in Korinth und ebenso der weltweiten Kirche Jesu Christi im Ganzen zugutekommen könnte.

Im Zweiten Brief an die Korinther (12,9) besinnt sich Paulus auf ein Wort, das der Herr selbst ihm mit auf den Weg gegeben hat: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Paulus versteht sich auch - gerade durch seine Krankheit (Epilepsie) - als eher schwacher und geschwächter Mensch. In einem Grübelmoment hatte der Herr ihm diese Zusage mit auf den Weg gegeben.

Das muss man/frau sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Denn weder in der Welt des Paulus noch in unserer Lebenswirklichkeit heute entspricht dies auch nur annähernd dem gängigen Denken. Der Satz stellt sich irgendwie quer und will nicht so recht passen. Aber genau das macht diese Zusage so wirkmächtig! Paulus weiß sich von diesem Wort getragen – es beflügelt ihn, weiterzumachen und trotz seines geschwächten Körpers das Evangelium in die ganze – damals bekannte – Welt zu tragen.

Das Wort von Jesu Kraft, die auch und gerade in den Schwachen mächtig ist, öffnet nun auch den Blick für das ganz Andere an Jesu Botschaft: Jesu Blickwinkel ist eben nicht der, der den Menschen mitteilt, was sie zu tun und zu leisten haben. Seine Fragestellung lautet vielmehr: „Was willst du, das ich dir tue?“ (Markus 10,51). Damit rückt die Bedürftigkeit des Menschen in den Fokus und nicht eine von außen aufgesetzte religiöse oder andere Norm.

„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Für jeden und jede, der und die schon mal länger im Krankenhaus war oder chronische Krankheit kennt, hat dieses Wort sogleich eine ganz neue und eigene Bedeutung.

Und ja, vielleicht kommt es auch in der Gemeinde nicht so sehr darauf an, wie aktiv und leistungsfähig wir sind, wie viel wir „wegschaffen“. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, wie viele Angebote wir managen, wie viele Gebäude wir bespielen, wie viele Besprechungen wir meistern und wie viele Leute wir damit in unseren Räumen Mal um Mal zählen können.

Es lohnt sich, den Blick von den Erwartungen an unser „Machen und Tun“ wegzudrehen hin zu den Menschen, die – womöglich nur im allerweitesten Sinn – zur Gemeinde gehören, aber sich bisher nicht durch „Mitarbeit“ im Leistungssinne für Anerkennung „qualifizieren“ konnten. Vielleicht gelingt es uns als Gemeinde, unseren Blick zu denen hin zu wenden, die einfach nur unsere Zuwendung und das Austragen der Liebe Gottes ebenso nötig haben. Denn Jesu Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Ihre Pfarrerin Lieve Van den Ameele


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