Neue Antependien in der Martinskirche
Zur Feier eines Gottesdienstes gehören ansprechende Worte und Musik - und ein sorgfältig gestalteter Raum. Er leistet durch Architektur und Kunst seinen eigenen Beitrag zum religiösen Erlebnis und bietet Möglichkeiten zur Meditation. Nicht zuletzt die im Gottesdienst verwendeten Textilien sind hier zu nennen, die so genannten Paramente. Eine herausgehobene Bedeutung haben dabei die den Altar und die Kanzel bekleidenden Behänge (Antependien), in der Regel künstlerische und handwerkliche Meisterstücke. Sie lenken die Blicke dahin, wo beim Abendmahl die Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise gepflegt und das Wort Gottes weitergegeben wird. Zugleich transportieren sie durch Farben und Formen Botschaften und Stimmungen.
In einer evangelischen Kirche sind im Jahreskreis meist vier Antependien-Sätze in den liturgischen Grundfarben Weiß, Violett, Rot und Grün im Gebrauch.
An allen Christusfesten - Weihnachten und Epiphanias, Osterzeit, Himmelfahrt, Trinitatis, Ewigkeitssonntag – sind sie weiß, denn der auferstandene Christus ist das Licht der Welt und schenkt neues Leben. Weiß ist die Farbe des Lichtes, der Freude, des Festes, der Reinheit.
In den Vorbereitungszeiten auf die großen Feste Weihnachten und Ostern, den vier Wochen des Advents und den sieben Wochen der Passionszeit, sowie am Buß- und Bettag symbolisiert Violett als eine Mischfarbe die Spannung zwischen Diesseits und Jenseits, Welt und Reich Gottes und mahnt zu Besinnung und Neuorientierung.
Rot gehört zu den Festen der Kirche: Pfingsten, Reformationstag, Konfirmation, Einführungen, Mission und Ökumene, Kirchweihe. Sie steht für Energie und Liebe. Als Farbe des Feuers erinnert sie an die einigende und ermutigende Kraft des Heiligen Geistes an Pfingsten, als Farbe des Blutes an die Ausbreitung der Kirche durch die Märtyrer, als Farbe der Liebe an die Einheit aller Christen mit ihrem Herrn.
Grün schließlich steht für Saat und Wachstum, für Hoffnung und Leben. In der festlosen Zeit des Kirchenjahres in Sommer und Frühherbst, zum Beispiel an Erntedank, und am letzten Sonntag im Kirchenjahr erinnert das Grün, dass Gott an seinen Verheißungen festhält: Saat und Ernte werden nicht aufhören, und das Reich Gottes wächst.
Wo zusätzlich ein schwarzes Antependium in Gebrauch ist, wird es zum Zeichen von Trauer und Schmerz an Karfreitag und am Totensonntag verwendet.
In der Martinskirche gibt es Antependien nur am Altar. Die neuen Textilien sind schlicht einfarbig gehalten. Herausgehoben sind jeweils drei vertikal angeordnete Rechtecke, die man mit der Dreieinigkeit Gottes in Verbindung bringen kann. Die Behänge sind beidseitig verwendbar; die Rückseite hat aufgrund der eingenähten metallischen Fäden eine eher schimmernde Oberfläche.
Leider sind die Antependien für die Martinskirche die vorletzte Arbeit der Textilwerkstatt vor ihrer Schließung aus finanziellen Gründen. 1891 war sie als Paramentenwerkstatt des Diakonissenmutterhauses gegründet. Über 130 Jahre lang hat sie unter besonderer Förderung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Kirchenräume mit sorgsam abgestimmten und individuell angefertigten Werken künstlerisch hochwertig ausgestaltet.
Wilfried Steller