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Geistliches Wort

Murren allein hilft nicht

Die Zeit der Wüstenwanderung ist voll von Murrgeschichten. Kaum sind die Kinder Israels der Sklaverei entkommen und hat Gott sogar mitten in der Wüste Trinkwasser für sie bereitgestellt, da kommt schon das nächste Problem um die Ecke.

In Exodus 16 beschwert sich das Volk über die mangelhafte Essensversorgung. Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Ägyptens macht sich breit. Ob das Volk wirklich zurück nach Ägypten wollte, steht wohl auf ein anderes Blatt. Vielmehr geht es darum, wie die Israeliten auf der Wüstenwanderung – in dieser ungewohnten kargen Landschaft – satt und zufrieden sein sollen. Also murrt das Volk erst mal. Dabei ist Murren nicht unbedingt nur etwas Schlechtes. Klar, es nervt auf Dauer. Aber es zeigt in der Regel auch, was schwelt und nach einer Lösung sucht. Das muss allerdings nicht heißen, dass die Lösung nachher genauso aussieht, wie sich die Murrenden das gedacht haben!

„Liebe Leute, ihr sehnt euch nicht wirklich nach der Sklaverei und Quälerei in Ägypten, oder?“, müssen Aaron und Mose gedacht haben, „Echt jetzt?“ Das Gottesvolk weiß nicht, wohin mit sich – das haben Wüstenzeiten so an sich!  „Ach, wie war es zu Hause so schön!“ und „Ihr seid schuld!“ scheint da der naheliegendste Vorwurf. Das muss eine Führungskraft freilich erst mal verarbeiten. Vor lauter Murren droht jedoch die Pointe der Geschichte unterzugehen. Der Teil, in dem Gott auf wundersame Weise für Fleisch und Brot sorgt. Einfach so – mitten in der Wüste! Man hu – was ist das? Kann man das essen? Schmeckt das überhaupt? Knapp 20 cm große Vögel und Getreide-ähnliche Körner zweifelhafter Herkunft? Das soll satt machen?! Wenn schon ein Wunder, hätte Gott uns dann nicht zurückbringen können nach Ägypten – wo es immerhin regelmäßig etwas Wiedererkennbares zu essen gab?

Ja, Zukunftsangst, mangelndes Gottvertrauen und die Verklärung der Vergangenheit ergeben eine unheilvolle Mischung. Was jetzt nottut, ist die Einsicht, dass sie auf Hilfe angewiesen sind und dass Gott für sie sorgt. Dabei müssen sie umdenken lernen – Neues dazulernen, um mit der Situation umgehen zu können. Und das gilt für die ganze Gemeinschaft – nicht nur die Macher.

Durch das Manna – das Wüstenbrot – lernen die Israeliten, täglich nur so viel zu nehmen, wie sie brauchen. Horten gilt nicht, denn am nächsten Tag ist es verdorben. Eine gute und wichtige Regel für die Gemeinschaft: Unser täglich Brot gib uns heute… Das braucht Umdenken und die Übernahme von Mit-Verantwortung.

Auch zu unserer Zeit gibt es Wüstenzeiten. Auch in unserer Kirche machen wir gerade eine drastische Wüstenwanderung durch. Und ob es uns gefällt oder nicht, die Zeit der Fleischtöpfe ist nun mal vorbei. Die Wirklichkeit hat sich auch hier im rasenden Tempo verändert. Mag sein, dass wenigstens die oberen Streifenhörnchen sich früher mit uns auf den Weg hätten machen können und man es auch ganz anders angehen könnte – das können wir ihnen natürlich vorwerfen. Fakt ist aber, dass wir uns jetzt mitten in der Wüstenwanderung befinden, dass die Wüste hier und jetzt nach uns greift und das Leben der Kirchenmenschen nicht gerade leicht macht. Aus der Kirchenleitung über das Dekanat kommen die Hiobsbotschaften und die daraus resultierenden Sparmaßnahmen. Das gefällt uns nicht. Es erfordert ein neues Lernen: im größeren Verbund zu denken, zu leben und zu handeln. Ohne Verantwortung indes kann es keine Freiheit geben. Verantwortung für sich und für die Gemeinschaft basiert auf guten Regeln für das Miteinander und nicht zuletzt auch auf dem Feiern der Gemeinschaft. Gemeinschaft will immer neu gelernt und geübt werden – nur so kann das Zusammenwachsen funktionieren, kann Freiheit nachhaltig gelebt werden. Das mussten die Kinderchen Israels lernen – das können auch wir – wieder – lernen.

Pfarrerin Lieve Van den Ameele


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