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Jesus und die Frau am Brunnen

Das Altarbild von Bernhard Plockhorst in der geschlossenen Kaiser-Wilhelm-Kirche ist Gegenstand einer Betrachtung von Pfarrer i. R. Runfried Schuster, der auch Mitglied im Förderverein ist.

Die Erhaltungswürdigkeit des Bildes lässt sich an den dort dargestellten Personen Jesus und die Samariterin festmachen. Darüber hinaus aber auch an dem dargestellten Brunnen, der mehr bedeutet als zeitgemäße Wasserversorgung! Kann er doch für uns ein Bild des Menschen sein, der selber ein tiefer Brunnen sein kann, aus dem Andere Wasser schöpfen.

Wer möchte nicht Anderen etwas abgeben können, bildlich gesprochen, Anderen wie ein Brunnen sein? Brunnen sein und etwas ausströmen, das können wir nicht einfach so machen! Das gilt auch, wenn es uns noch so schwer fällt, das einzusehen in unserer auf das Machbare erpichten Zeit.

Andererseits: Etwas liegt doch auch an uns. Beim Brunnenwerden für Andere gibt es vielleicht nur einen kleinen Bereich des Machbaren und Lernbaren. Um das Bild aufzunehmen: Man kann und muss graben, obwohl das Graben allein das Brunnenwerden noch nicht garantiert. Es gibt – gut gemeinte – Fehlbohrungen, d. h. wir müssen uns immer wieder neu orientieren, Erfahrung einbeziehen, auch bei einer Bildbetrachtung, d. h. uns selber gegenüber kritisch sein und neu ansetzen.

Es kann dann sein, dass der Brunnen als Naturbrunnen aufbricht, ganz woanders als dort, wo wir gebohrt haben. Es kann sein, dass wir etwas ganz Anderes zu geben haben, als wir geglaubt haben.

Wie dieses Bohren konkret aussehen kann, zeigt Jesus im Johannesevangelium, Kap. 4 in der Geschichte, die sich am Jakobsbrunnen zugetragen hat. Er, der da die samaritanische Frau auffordert: „Gib mir zu trinken!“, lehrt uns zweierlei. Einerseits: vom Anderen nicht gerade das zu erwarten, was er nicht hat. Und andererseits: Ihn da brauchen, wo man glaubt, dass er aus der Fülle schöpft. Dadurch wird er sich der Fülle bewusst; er bekommt Freude am und im Schenken – er öffnet sich.

Dieses „Brauchen des Anderen“ muss freilich frei sein von Herablassung und auch von egoistischem Fordern. Es muss ehrliches Sehenlassen der eigenen Bedürftigkeit sein, mit der ich mich dem Anderen hoffend anvertraue.

Wenn wir Andere im angedeuteten Sinn liebend gebrauchen und uns selber brauchen lassen, sind wir einem Brunnen mit lebendigem und lebendig machendem Wasser gleich.

Es kann dann auch umgekehrt geschehen, dass wir gerade dann, wenn wir uns verströmen, bewusst werden, was uns letztlich als Christen gegeben ist, nämlich: nicht nur selber Brunnen zu sein, sondern aus einem noch tieferen Brunnen schöpfen zu können, der uns ermöglicht, ohne Unterlass selber das zu empfangen, was wir Anderen ausströmend weitergeben können.

Wer möchte sich nicht dabei beteiligen? Sicher kann das Altarbild dabei für uns ein Impulsträger sein. Wir sollten ihm den entsprechenden Raum geben.

Runfried Schuster


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