Geistliches Wort
Gottes Liebe weitergeben
Mit der Erzählung von der Fußwaschung nimmt das Johannes-Evangelium eine überraschende Wende (13,1-17)! Das Wort „Liebe“ bekommt eine herausragende Bedeutung. Johannes stellt klar: Die Liebe Jesu ist die Kraft der Erlösung für die Seinen; in seiner Vollmacht wirkt die Kraft Gottes, die alles andere – ja, auch das Böse oder Tod-Bringende – überwindet. Es ist die Liebe Jesu zu den Seinen, die seinen Weg von Anfang an bestimmt hat, und die jetzt in seinem Kreuzestod zu ihrer Vollendung gelangt. Am Kreuz gibt Jesus sein Leben für die Seinen hin. Deshalb verweist der Evangelist darauf, dass Jesu Liebe zu ihrem Ziel kommt, indem er zum Vater geht. Wer das liest, weiß jetzt: Er ist der Sohn, den der Vater gesandt hat. Die Jünger indes sind nicht so weit – noch nicht.
Die Fußwaschung illustriert Jesu Liebe, aber sie weckt zunächst Protest. Jesus macht hier nämlich etwas total Regelwidriges. Petrus als Vertreter der Jünger reagiert, indem er vehement die Füße zurückzieht: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ Nach dem Gesetz und der Tradition durfte nicht einmal ein jüdischer Sklave zu einem so entehrenden Dienst verpflichtet werden, nur ein heidnischer. Jesus, Lehrer und Herr der Jünger, benimmt sich hier, als sei er ihr Sklave! Sein Hinweis, dass Petrus das jetzt noch nicht begreifen könne, aber später (nach Ostern also), kann Petrus nicht beruhigen. Er weigert sich erneut. Da hält Jesus ihm entgegen: »Wenn ich dich nicht wasche, hast du an mir nicht teil!« Petrus spürt, dass ihm etwas Wichtiges entgehen könnte, doch er kann es nicht fassen – es liegt außerhalb seiner Logik. Doch Eines weiß er: Die Nähe der Gemeinschaft mit seinem Herrn ist alles für ihn. Daher will Petrus in seiner überschwänglichen Art gleich alles: Dann soll Jesus ihn doch bitte ganz und gar waschen, vom Kopf bis zu den Füßen. Auch dieses Missverständnis muss korrigiert werden.
Wie bei einer Zwiebel wird nach und nach deutlich, worum es geht: Gerade als ihr Lehrer und Herr hat Jesus ihnen den Sklavendienst der Fußwaschung getan. Einander die Füße zu waschen, einander Sklavendienst zu tun, einander so zu lieben, wie er sie geliebt hat – das ist die Konsequenz aus Gottes Liebe, welche in und durch Jesus Christus sichtbar wird.
Die Erzählung von der Fußwaschung beim letzten Abendmahl erschöpft sich nicht in der reinen Handlung – auch nicht in der Wohltat gewaschener Füße. Es geht um viel mehr, denn Jesus durchbricht hier sämtliche menschliche Barrieren. Er löst das Verhältnis Herr / Knecht auf, aber auch das Verhältnis Jude / Heide. Indem er Standesdünkel und Kultur- bzw. Religionsbarrieren aushebelt, setzt er ganz neue Maßstäbe: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Der Evangelist nimmt bereits das Nach-Österliche vorweg: Der Auferstandene sendet seine Jünger als Boten aus – so wie der Vater auch ihn gesandt hat.
In der Nachfolge liegt auch der Auftrag für uns als Kirche Jesu Christi im Hier und Heute: In Jesu Fußspuren sollen wir so handeln, wie Jesus an uns gehandelt hat, indem wir Gottes großspurige Liebe weiter geben.
Pfarrerin Lieve Van den Ameele