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Brückenbauer sind zurzeit die wahren Helden

Der Sternmarsch für Frieden führte am Volkstrauertag zum 10. Mal in Bad Ems zum interreligiösen Friedensgebet von Christen, Juden und Muslimen.

Religionen müssen nicht der Grund für Kriege und Hass sein. Das Gegenteil beweisen Christen unterschiedlicher Konfessionen, Juden und Muslime seit zehn Jahren, die am Volkstrauertag gemeinsam zum Sternmarsch für den Frieden in die katholische St.-Martinskirche Bad Ems aufrufen. Mehrere Hundert Menschen folgten in diesem Jahr wieder der Aufforderung „Steh auf, geh mit! Wir beten für den Frieden.“. Sie starteten von vier Standorten der Kreisstadt aus zu einem bewegenden Friedensgebet im katholischen Gotteshaus.

Leider habe die Gewalt in der Welt zugenommen, seit der Sternmarsch mit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien ins Leben gerufen wurde, erklärte Dr. Hildegard Simons von der katholischen Pfarrgemeinde, Initiatorin und Koordinatorin der Veranstaltung. Das interreligiöse Gebet sei frei von politischen Ideologien. „Wer Gewalt sät, wird eine Spirale der Gewalt ernten“, sagte die engagierte Bad Emserin. Politischen Hassparolen dürfe kein Raum gegeben werden. Das kirchliche Motto des diesjährigen Rheinland-Pfalz-Tages „Brücken bauen“ wurde zum 10. Friedensgebet noch einmal aufgegriffen. „Brückenbauer sind in diesen Zeiten die wahren Helden“, so Simons. Um Brücken zueinander und miteinander zu bauen, dafür stünden die das Gebet gestaltenden Vertreterinnen und Vertreter christlichen, jüdischen und muslimischen Glaubens sowie des Beirats für Migration und Integration zusammen in der Kirche.

Andere nicht als Gegner sehen

Wie schwierig es im Vergleich zu Brücken aus Beton oder Stahl ist, Brücken von der Gegenwart in die Zukunft zu bauen, zwischen Menschen, von der Dunkelheit ins Licht und der Traurigkeit zur Freude, verdeutlichten der katholische Pfarrer Michael Scheungraber und die evangelische Gemeindepfarrerin Lieve Van den Ameele. Die beiden baten darum, bei aller Sorge um die Menschen in Nahost alle anderen nicht zu vergessen, die unter Gewalt, Krieg und Vertreibung leiden. „Gib uns Weisheit, einander nicht nur als Feindinnen oder Gegner zu sehen, sondern als Mitmenschen“, so ihr Gebet.

Mut zur Wahrheit, Demut zum Zuhören

Mehrsprachig waren viele Bitten im Kirchenschiff formuliert. „Lasset nicht ein Volk über das andere spotten, vielleicht sind diese ja besser“, heißt es in der 49. Sure des Korans, die unter anderen vom Imam der Koblenzer Ahmadiyya-Gemeinde Ansir Ahmad gesungen wurde. Einen zum Frieden auffordernden biblischen Psalm in Hebräisch und Deutsch trugen Wolfgang Dorr als Vertreter des jüdischen Glaubens und die Ökumene-Pfarrerin des evangelischen Dekanats Nassauer Land, Antje Müller, vor. Der „Disharmonie in der Welt“ auch mit Zivilcourage zu begegnen, war ein in Türkisch und Deutsch von den Vertreterinnen des Beirats für die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund geäußertes Anliegen. Um den Segen Gottes – im Arabischen heißt er Allah – wurde in Hebräisch und Deutsch gebeten. Auch das christliche Vater Unser fehlte nicht, sowohl in Aramäisch, der Sprache Jesu, als auch gemeinsam von allen Teilnehmenden in Deutsch. Andere vorgetragene Bitten: Den Hass in Herzen zu löschen, Stolz und Arroganz verschwinden zu lassen und stattdessen den Mut zu haben, die Wahrheit zu sagen und die Demut, anderen zuzuhören.

Bewegende musikalische Brücken

Die tolle musikalische Gestaltung gab dem bewegenden Friedensgebet einen passend würdigen Rahmen. Eine Orgel-Improvisation von „Bridge over Troubled Water“ empfing die Gäste im stilvoll illuminierten Gotteshaus. Ruhige, hymnische und flotte populäre und geistliche Sätze von gleich drei Chören erfüllten das Kirchenschiff. Der Chor der russisch-orthodoxen Gemeinde Bad Ems bat etwa eindringlich mit einer Bortnjanskij-Weise: „Rette dein Volk!“. Die musikalische Krönung des Gebets lieferte ein von Franz-Rudolf Stein arrangierter Chorsatz von „Amazing Grace“. Er wurde unter dem Dirigat von Kantor Jan-Martin Chrost vom St.-Martins-Chor Bad Ems und dem Vokalensemble Rhein-Lahn gemeinsam in Altarraum und aus den Seitengängen beeindruckend bewegend angestimmt.

Ergriffen vom Sternmarsch zeigte sich die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Kerstin Janott. Der interreligiöse Dialog müsse auf allen Ebenen noch verstärkt werden, sagte sie beim anschließenden Austausch vor der Kirche mit den zahlreichen Gästen. Zu denen gehörten auch Politiker des Landtags, des Kreistags, der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau und der Stadt Bad Ems, die zuvor in Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag die vielen Toten der Weltkriege als eine Mahnung für den Frieden beschworen hatten.

Bernd-Christoph Matern

 

 


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