Menu
Menü
X

In der Kraft des Heiligen Geistes

Ich versuche, mir die Situation vor Augen zu führen: Da ist ein Mann, der mit seinen Freundinnen und Freunden - wie wohl so oft - auf den Ölberg geht. Dort nimmt er Abschied von ihnen, indem er klar macht, er müsse jetzt gehen. Sie sollen aber nicht traurig sein - er werde ihnen auch bald einen Tröster schicken.

Die Freunde und Freundinnen begreifen nicht so recht, wie ihnen geschieht, doch schon ist er weg, ihrem unmittelbaren Sehen entzogen. Wolken scheinen ihn zu verdecken. Und wie immer, wenn etwas dem menschlichen Hirn Unbegreifliches, aber göttlich Wichtiges passiert in der Bibel, treten Engel auf und versuchen, den armen gequälten Geschöpfen die Sache begreiflich zu machen. Ein Ansinnen, welches freilich - wie so oft - erst mittelbar seine Wirkung zeigen wird.

Die Jüngerinnen und Jünger müssen Abschied nehmen von ihrem besten Freund. Sie müssen sozusagen „groß“ - sprich: erwachsen - werden. Irgendwie setzt das Be-Greifen ein, künftig wohl „alleine“ zurechtkommen zu müssen. Aber zunächst greifen sie ins Leere. Dass sie sich alleine gelassen fühlen, wird - wie wir in der Apostelgeschichte nachlesen können - dazu führen, dass sie sich mehr oder weniger „verkriechen“, sich einsperren, verbarrikadieren. So setzen sie Jesu Aussage um, sie sollen Jerusalem nicht verlassen, bis die Verheißung des Vaters erfüllt ist und der Tröster zu ihnen kommt.

Auch für uns ist das so eine Sache! Ja, wir sind getauft, oft auch konfirmiert. Wir haben gelernt, was es mit Gott und dem Glauben auf sich hat. Wenn wir es aber erklären sollen, ziehen wir uns lieber ins Kämmerlein zurück. Sollen andere doch das Reden übernehmen! Aber wehe, wenn der oder die das falsch sagt…

Der Zusammenhang zwischen Himmelfahrt und Pfingsten ist wichtig: Jesus geht, der Heilige Geist kommt. Jesus geht nicht in den Himmel als „Ort“, sondern kehrt zurück an die Seite des Vaters und übernimmt damit auch Anteil an dessen Macht. Der „Himmel“ ist in biblischer Sprache einfach der Ort der Herrschaft, an dem das Göttliche waltet. Jesus ist also von jetzt an nicht mehr nur als Mensch lokal körperlich präsent, sondern als Gott überall gegenwärtig. Er wirkt durch den Heiligen Geist. Dieser transportiert die neu erworbene Macht als Mittler zum Menschen und lässt sie spürbar und sichtbar werden. Das Sprachbild des Heiligen Geistes entspricht der Art, wie wir Menschen uns eigentlich unfassbaren Zusammenhängen nähern können. Engel erklären das Geschehen – der Heilige Geist wirkt selbst.

In seinem letzten Gespräch mit den Jünger*innen redet Jesus nicht von Wenns und Abers! Er sagt schlicht: Es ist so: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes erfahren (Apostelgeschichte 1,8a)! Ich gehe zwar jetzt, aber ihr werdet keineswegs allein gelassen! Durch die Geistkraft Gottes werdet ihr Trost erfahren, wenn es mal schlecht läuft, und Kraft schöpfen, wenn ihr euch schwach und unzulänglich fühlt. Darauf dürft ihr bauen – so entsteht Kirche!

Eine gesegnete nachösterliche, pfingstliche Zeit wünsche ich Ihnen!

Ihre Pfarrerin Lieve Van den Ameele

Foto: Darstellung von Christi Himmelfahrt mit Taube als Symbol des Heiligen Geistes in der Kreuzkirche in Herne. Die Fenster im Chorraum der Kirche entstanden 1951 bis 1953 nach Entwürfen des Malers Rudolf Fuchs. epd Bild


top