Geistliches Wort
Auf nach Bethlehem!
Ob der Wirt und die Wirtin, die in fast jedem Krippenspiel Joseph und Maria eigentlich loswerden wollen und ihnen lediglich einen Platz im Stall anbieten, auch selbst mal in den Stall hineingeschaut haben? Ob sie sich gewundert haben, was für ein Auflauf da an dem Abend und in den Tagen danach vonstatten ging? Ob sie rausbekommen haben, dass ihre Futterkrippe zum Babybett umfunktioniert wurde? Haben sie was erfahren von den Hirten, die zum Verkünder der Guten Nachricht wurden? Den besonderen Stern gesehen, unter dem ihr Stall damals stand? Die Wissenschaftler bemerkt, die dem Gotteskind die Ehre gaben? Wenigstens den Gesang der Engel gehört?
Oder haben sie nur das Geschäft im Sinn gehabt und dass der Betrieb laufen muss – auf dass ja die Hütte brummt? Nach der Devise, nur eine volle Bude zeugt von Erfolg? Mit dem hergelaufenen Pärchen wollten sie ohnehin nichts zu tun haben.
Wahrscheinlich haben sie dann wohl nicht gemerkt, dass ein besonderes Licht von dem Stall – vom Kind dort in der Krippe – ausging. Ein wärmendes, tröstendes, Hoffnung spendendes Licht. Hoffnung für die Welt. Zuversicht für die Menschen. Die Zusage: Ein Neuanfang ist immer wieder möglich im Kleinen und im Großen! Menschen, die selbst nichts hatten – eine junge Familie – wurden zum Schatz im Acker, von dem wir auch heute noch zehren. Wenn wir nur hinschauen und wollen...
Wollen wir das? Interessiert es uns überhaupt, was damals im Stall vor sich ging – wie der Stall zur Herberge für viele wurde? Worauf warten wir eigentlich im Advent? Worauf warten wir noch? Wo geht denn die Reise hin im Advent und überhaupt?
Nehmen wir uns die Zeit, einen Blick in den Stall zu werfen, oder sehen wir nur noch Konfliktherde, Kriegsgeschehen, Wirtschaftsdenken und Platzangst zusammen mit der Sorge, zu kurz zu kommen, wenn Geflüchtete bei uns Schutz suchen? Nach dem Motto: „Alles geht die Bach enab“ – und der Stall ist ohnehin nur ein schäbiges Gemäuer.
Gelingt es uns, unser Ohr dorthin – zum Kind in der Krippe – zu wenden? Und wenn ja, was hören wir dann – was wollen wir überhaupt hören? Lauschen wir dem Babygeschrei oder dem zufriedenen Glucksen des Kindes? Ahnen wir, wie das Kind zum Zielpunkt für Suchende werden konnte, oder fragen wir uns jedes Jahr, wozu der Aufwand gut sein soll? Brauchen wir ein bombastisches Fest mit vielen Vorläufern in der Adventszeit, oder gelingt es uns, die Essenz des Ganzen mitzubekommen und zu feiern? „Gott, der Retter ist da“, verkünden die Engel in einem Weihnachtslied. Durch das Kind in der Krippe wurde aus der ärmlichen Tierunterkunft in Bethlehem eine Herberge für die Welt.
„Ihr lieben Christen, freut euch nun, bald wird erscheinen Gottes Sohn, der unser Bruder worden ist, das ist der lieb Herr Jesu Christ“ (EG 6,1).
Frohe Weihnachten! Vielleicht sehen wir uns an Heiligabend an der Krippe?
Ihre Pfarrerin Lieve Van den Ameele